Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Hoeneß
Bielefeld (ots)
In Steuerfragen wird gerne bagatellisiert oder dramatisiert. Je nach Betroffenheit. Verschwendet der Staat Milliarden aus Sicht des Steuerzahlerbundes, ist die Aufregung bei den Steuerzahlern groß. Wird die Summe der Steuerhinterziehungen in Deutschland publik, beide Summen haben sich jeweils bei rund 30 Milliarden eingependelt, ist es erstaunlich ruhig. Es sei denn, ein Reicher hat versucht, noch reicher zu werden oder reich zu bleiben. Bei Uli Hoeneß war und ist der Aufschrei besonders heftig. Chef eines Fußballklubs, der polarisiert, Ex-Profi-Fußballer, gut bezahlter Manager und Fleischfabrikant: Ja kriegt der denn nie genug? Alles richtig, aber nicht redlich. Denn wie die oben genannten Zahlen vermuten lassen, betrügen nicht nur Millionäre. Dennoch beweist der Fall Hoeneß abermals, dass es noch so manches Steuerschlupfloch zu stopfen gilt. Das Abkommen mit der Schweiz ist am Widerstand des Bundesrates gescheitert, was die Beziehungen mit dem Nachbarland erschwert. Der deutsche Fiskus darf vorerst weiter Steuer-CDs ankaufen - eine einträgliche, aber moralische zweifelhafte Methode, um Steuersündern auf die Spur zu kommen. Immerhin kann Deutschland im Streit mit der Schweiz auf Rückendeckung der führenden Industrienationen setzen. So wurde beim G20-Gipfel Anfang September eine wichtige Grundsatzentscheidung getroffen: Alle Staaten sollen sich künftig gegenseitig über steuerrelavante Daten informieren - automatisch und unabhängig von der Frage, ob ein Verdacht auf Steuerbetrügereien besteht. Das bedeutet nichts weniger als das Austrocknen aller Steueroasen - auch wenn dieses hehre Ziel erst noch in die Tat umgesetzt werden muss. Uli Hoeneß wird ab dem 10. März vor Gericht die Lederhosen runterlassen müssen, um eine langjährige Gefängnisstrafe zu verhindern. Das ist rechtens und das ist richtig. Aber genauso wenig wie es eine Promi-Schonung durch das Gericht geben darf, sollte es einen Promi-Malus geben - weder durch Justiz, Medien oder die Öffentlichkeit. Hoeneß hat einen gewaltigen Fehler gemacht. Nicht weniger, aber auch nicht mehr. So sollte es bei der Urteilsbemessung auch keine Rolle spielen, wie karitativ, wie fürsorglich der Mensch Hoeneß gewesen ist. Selbst wenn er da geholfen hat, wo es andere nicht taten. Auch wenn man Millionen karitativ einsetzt, darf man nicht quasi als Ausgleich Gelder in der Schweiz verstecken, wie es Hoeneß getan hat. Dass es einen Unterschied zwischen Recht und Gerechtigkeit gibt, bekommen Jurastudenten vorsorglich schon in der Einführungsvorlesung zu hören. Aber es wäre doch schön, wenn das im Fall Hoeneß nicht so wäre - und das Urteil keinen Anlass gäbe zu Bagatellisierung oder Dramatisierung.
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