Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Attentat auf John F. Kennedy vor 50 Jahren
Bielefeld (ots)
John F. Kennedy prägte eine ganze Generation. Nicht mit dem, was er tatsächlich getan hat. Sondern mit dem Potential, das Menschen rund um den Erdball in dem dynamischen Mann mit dem breiten Scheitel und den strahlend weißen Zähnen sahen. Er symbolisierte das Versprechen eines jungen, optimistischen Amerika, das an der Spitze des Fortschritts marschiert. Der Präsident, der nach dem Mauerbau die berühmten Worte »Isch bin ein Berliner« sprach, verkörperte selbst die Idee des modernen Amerikaners. Ein Superstar im Weißen Haus, der nicht zufällig die Gesellschaft von anderen Pop-Ikonen wie Marilyn Monroe suchte. Der 35. Präsident der USA reflektierte die Sehnsucht einer ganzen Generation nach einem Aufbruch zu neuen Ufern. Im Kalten Krieg bot er sich zudem als ideales Gegenbild zu den verbiesterten Führern der Sowjetunion an. JFK hätte erfunden werden müssen, wenn es ihn nicht schon gegeben hätte. Inklusive des Mythos, den seine engsten Berater geschickt um ihn ranken ließen. Diese stilisierten ihn zu einem neuzeitlichen Camelot, der sein Volk wie König Artus in eine bessere Zukunft zu führen verspricht. All das trug Kennedy zu Lebzeiten die höchsten durchschnittlichen Zustimmungswerte ein, die ein moderner Präsident im Amt erzielen konnte. Die Erklärung für die bis heute anhaltende Popularität Kennedys hat indes wenig mit dessen Politik zu tun. Mehr mit der Projektionsfläche, die er seinen Anhängern bot. Er machte es möglich, dass jeder in ihn hineininterpretieren konnte, was er sehen wollte. Kennedy gilt unter Historikern als mittelprächtiger Präsident. Jenseits seines Charismas, mit dem JFK die Massen verzauberte, hat er am Ende seiner viel zu kurzen Amtszeit wenig vorzuweisen. Sein Vize Lyndon B. Johnson setzte Bürgerrechts-Gesetze und die Einführung der staatlichen Krankenversicherung für Alte und Arme durch. Auch auf der Weltbühne überzeugte Kennedy selten. In seine Amtszeit fallen die Ausweitung des Vietnam-Kriegs, die fehlgeschlagene Invasion in der Schweinebucht, der Bau der Berliner Mauer und die Raketenkrise auf Kuba. Selbst wenn man letztere als Punktsieg für den US-Präsidenten verbucht, wagten sich die Sowjets die Provokation nur deshalb, weil sie hinter Kennedy einen willensschwachen Präsidenten vermuteten. Das Attentat in Dallas 1963 hat für lange Zeit eine nüchterne Aufarbeitung der Bilanz erschwert. Mit Kennedys Tod platzte ein Traum und ließ eine ganze Generation mit einem Trauma zurück. 50 Jahre später haben dreiviertel aller Amerikaner keinen persönlichen Eindruck von Kennedy mehr. Das bietet Gelegenheit einen realistischeren Blick auf einen Präsidenten zu werfen. Sein Status als Superstar-Präsident bleibt unbestritten, seine Leistungen als politischer Führer weniger. 50 Jahre danach ist die Zeit gekommen, die Polit-Ikone zu entstauben, um den wahren Kennedy hervortreten zu lassen.
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