Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Nahost-Konflikt
Bielefeld (ots)
Wer sich in Israel als Deutscher an politischen Diskussionen beteiligt, der bekommt meistens einen scheinbar plausiblen Vergleich vorgesetzt. Man stelle sich bitte vor, es würden täglich Dutzende Raketen aus Dänemark in Richtung Flensburg geschossen. Hätte der Staat dann nicht die Pflicht, seine Bürger vor den Angriffen zu schützen und sich gegen den Beschuss zu wehren? Wenn man dann entgegnet, dass Dänemark aber nicht von Deutschland abgeriegelt werde, beginnt die Diskussion über Ursache und Wirkung, Henne und Ei im Nahen Osten erst so richtig. Angesichts eines drohenden Gaza-Kriegs - der Begriff träfe erst beim Einsatz von Bodentruppen zu - verfolgt Israels Regierung zwei Absichten: Die Raketenangriffe aus dem Gazastreifen müssen sofort gestoppt und deswegen die Hamas nachhaltig geschwächt werden. Die Islamisten aus Gaza stellen seit der vermeintlichen Versöhnung mit der Palästinensischen Autonomiebehörde im Westjordanland eine noch stärkere, weil politische Bedrohung dar. Denn Einigkeit bei den Palästinensern weckt bei Friedensgläubigen in der westlichen Welt Hoffnungen auf eine Zwei-Staaten-Lösung. Ein schöner Traum, der nichts mit der Wirklichkeit zu tun hat - aber den internationalen Druck auf die Regierung in Jerusalem hoch hält. Wie unrealistisch zwei Staaten für zwei Völker sind, macht ein Blick in die Hamas-Charta deutlich. Dort steht geschrieben: »Ansätze zum Frieden stehen sämtlichst im Widerspruch zu den Auffassungen der Islamischen Widerstandsbewegung. Denn auf irgendeinen Teil Palästinas zu verzichten bedeutet, auf einen Teil der Religion zu verzichten.« Mit der Hamas wird nie eine tragfähige friedliche Lösung zu machen sein, allenfalls kann es Vereinbarungen auf Zeit geben. In der Regel vermittelt Ägypten zwischen der Hamas und Israel. Doch seit dem Sturz und Verbot der Muslimbrüder - aus denen die Hamas hervorgegangen ist - verlaufen solche Gespräche schwieriger als zuvor. Einer Strategie scheint Benjamin Netanjahu nicht zu folgen. Was man Israels Regierungschef zugute halten kann: Als Ministerpräsident hat er während seiner Amtszeiten bislang noch keinen Krieg geführt. Seinem Land kündigt er eine »lange Operation« an. In dem jüdischen Staat gibt es zwischen Innen- und Außenpolitik keine Unterscheidung. Das bedrohte Land macht Sicherheitspolitik - und die beeinflusst die Weltpolitik. Ziel Israels muss es jetzt sein, die militärische Auseinandersetzung auf Gaza zu begrenzen. Ein Aufstand im Westjordanland sollte vermieden werden. Eine dritte Intifada würde die Extremisten in beiden Lagern stärken - und die Position des palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas schwächen. Dann würde die Hamas nicht nur aus Gaza mit Raketen schießen und Israel womöglich zwingen, im Westjordanland militärisch einzugreifen.
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