Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu einer europäischen Arbeitslosenversicherung
Bielefeld (ots)
Die Vorstellung einer europäischen Arbeitslosenversicherung hat etwas Erschreckendes. Dabei geht es gar nicht so sehr um die Idee an sich. Aber wenn man sich ausmalt, wie die Brüsseler EU-Gremien eine solche Institution ausbauen würden, wird einem Angst und Bange. Denn dann steht am Ende ein nahezu uneinnehmbarer Moloch, der mit europäischen Zwangsmitteln alle nationalen Unterschiede begradigt, nur um einen Vorschlag umzusetzen, der in jeder Hinsicht praxisuntauglich ist. Schon allein die Frage, ob und wie man das fragile Gebilde der einzelnen Mitgliedstaaten aus Arbeitslosen-Unterstützung, Weiterbildung, Kündigungsschutz, Mindestlohn oder die Stellung der Tarifpartner harmonisieren kann, führt schnell ans Ende der Diskussion: Das ist nämlich definitiv nicht möglich. Viel gravierender erscheint der Vorwurf, dass eine solche - an sich verbotene - Transferunion in der Sozialversicherung die falschen Impulse setzen würde. Denn sie nimmt den Druck von den Regierungen der Länder, die ihre Verwaltung, ihre Auflagen und Sonderregelungen dringend reformieren müssten. Das kann und darf ihnen nicht erspart bleiben. Die Grundidee mag ja plausibel sein: Diese EU zu einem Gebilde umzubauen, welches der Gemeinschaft ein »menschliches Gesicht verleiht«, wie es der Brüsseler Sozialkommissar ausdrückt. Aber dann müsste zumindest sicher sein, dass die erwünschten Effekte auch wirklich eintreten. Davon kann keine Rede sein. Selbst wenn am Ende mit einem jährlichen Aufkommen von 96 Milliarden Euro gerechnet werden darf, blieben die Entlastungen für die Sozialkassen der Mitgliedstaaten, die wirklich Geld bekämen, so gering, dass es zu keinem nennenswerten konjunkturellen Effekt reichen würde. Wobei auch der nur ein Trostpflaster wäre. Denn staatliche Programme können ökonomische Tiefs zwar punktuell abschwächen, aber nicht kompensieren. Das Modell aus Brüssel ist ein klassisches Beispiel für Spiele am grünen Tisch: Da funktioniert alles. In der Wirklichkeit nie. Die zurückliegenden Jahre waren ein Lehrbeispiel für das, was wirkt und was nicht. Wo Staaten ihre nationalen Arbeitsmärkte reformierten und flexibilisierten, wo sie die Grenzen zum Binnenmarkt geöffnet und Hemmnisse beseitigt haben, kam der Aufschwung in Gang. Und wenn Regierungen dann noch ihre eigenen Etats sanierten und die Banken so stabilisieren könnten, dass diese wieder Kredite für die Unternehmen bereitstellten, hatte man alle Anreize zusammen, um Stabilität zu erreichen oder eine Talsohle zu durchschreiten. Die europäische Arbeitslosenversicherung ist ein unbrauchbares, weil ungelenkes Instrument. Nicht ohne Hintergedanken haben die Autoren der europäischen Verträge die Sozialpolitik zur Hoheit der Mitgliedstaaten erklärt. Sie wussten, dass es Politikbereiche gibt die man durch Zentralisierung nicht besser, sondern schlechter macht.
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