Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Sepp Blatter
Bielefeld (ots)
Unser liebster Sportverband hat sich natürlich auch jetzt wieder in sympathischer Art und Weise dazu aufgeschwungen, das Böse ins Gute zu transferieren. Darin ist die »Fédération Internationale de Football Association«, kurz Fifa, ein wahrer Meister. Alles prima, wenn die ganz kleinen Gaunereien und ziemlich großen Verbrechen ans Licht kommen. Das wollen wir doch alle.
Aufklärung! Transparenz! Reform!
Solche ehrbaren Eigenschaften hat sich die Fifa auf ihre Fahnen geschrieben. Wie kann es nur Zweifel an der Reinheit der in Zürich beheimateten Institution geben? Darüber wacht der Weltherrscher des Fußballs persönlich. Ein mittlerweile 79 Jahre alter Schweizer namens Sepp Blatter, der einen von ihm selbst zusammengebauten Begriff von Aufrichtigkeit pflegt und dabei Kleinreden, Wegdrücken, Leugnen und Aussitzen derart perfektioniert hat, dass er ein Handbuch darüber verfassen könnte. Er hat es mit seinem prallen Ego, das unverändert nach weiter, immer weiter giert, geschafft, mit der legendären Romanfigur aus Mario Puzos großem Mafia-Epos verglichen zu werden. Sepp Blatter alias Der Pate alias Vito Corleone.
Jetzt haben die Behörden ein enormes Ermittlungsbesteck ausgepackt, doch noch steht der Ball-Boss weiterhin wie Beton im Wind. Betroffen sei der Herr Präsident, das schon, aber ihn persönlich gehe das ja nun eigentlich nichts an, hieß es gestern aus dem Büro. Und darum werde es am Freitag auch wie geplant die Wahl geben. Der Fifa-Kongress als reine Beifalls- und Bestätigungsveranstaltung, oder glaubt jemand ernsthaft daran, Jordaniens Königssohn Ali bin al-Hussein könne die fünfte Amtsperiode des Titelverteidigers verhindern? Auch mit Oppositionen weiß Joseph S. Blatter umzugehen, seitdem er vor 17 Jahren sein Imperium begründete. Schon 1998 hatte ihm der damalige DFB-Präsident Egidius Braun unverhohlen vorgeworfen, die Stimmen zur Thron-Besteigung erkauft zu haben. Doch nie konnten die langen Schatten den Sonnenkönig aus dem Wallis ins Abseits drängen.
Nun wird sein Laden gerade mächtig auseinandergenommen, Gefolgsleute hängen drin, die Justiz fährt schwere Geschütze auf. Auch die Vergabe der Weltmeisterschaften an Russland 2018 und Katar 2022 kommt noch einmal auf den Tisch. Der vollständige Report des von der Fifa eigens zur Aufklärung eingesetzten Michael J. Garcia liegt dabei noch immer irgendwo in einem Aktensafe. Die Auftragsarbeit des Amerikaners sollte den Willen der Fifa zur Wahrheitsfindung dokumentieren. Nur sollten die Berichtseiten nie mehr sein als Feigenblätter. Mit allenfalls ein bisschen Wahrheit, nicht aber der ganzen. Das vollständige Werk, ein mutmaßlicher Bestseller, ist unter Verschluss, sein Autor trat verärgert zurück.
Würde Blatter aufgeben, wäre das seine beste Tat. Doch wozu? Bislang reichte die Machtfülle aus, Abweichler und Umstürzler abzuschmettern. Das Schoßhündchen Fifa gehorcht seinem Herrn, ein paar Opfer stören wenig. Zwar kreuzte gestern das Rollkommando auf, doch durchtrieben wie er ist, wird Blatter das begrüßen und nicht büßen.
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