Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Diskussion um Bargeld und Bargeldgrenzen beim Bezahlen
Bielefeld (ots)
Müssen wir uns Sorgen machen? Ja. Und zwar nicht darum, dass wir den Kauf eines Gebrauchtwagens für mehr als 5000 Euro nicht mehr bar abwickeln dürfen sollen. Was derzeit in ganz Europa, vor allem aber in Deutschland stattfindet, ist eine Kampagne für die Abschaffung des Bargeldes. Es werden Nachrichten über eine Falschgeld-Schwemme verbreitet, Bakterien auf Banknoten gezählt und hübsche Geschichten über Bettler geschrieben, bei denen Passanten ihren Euro per Kreditkarte spenden können. Damit soll Zustimmung für ein Projekt geschaffen werden, das nichts weniger bedeuten kann als das Ende der individuellen Freiheit. Schwarzarbeit, Drogenhandel, Mafia, Terror - die meisten Gründe, die gegen Bargeld angeführt werden, sind als Scheinargumente leicht zu durchschauen, weil es ausreichend Möglichkeiten gibt, gegen Verbrechen vorzugehen. Für den Staat von heute scheint folgende Vorstellung eine Horrorvision zu sein: Ein Mann und eine Frau heben ihr gesamtes Geld vom Konto ab, steigen in ein Auto und fahren mit unbekanntem Ziel davon. Der Staat verliert die Kontrolle. Das wäre in einer Welt ohne Bargeld anders. Da wüsste der Staat immer, wer wie viel Geld hat und ob er es rechtmäßig besitzt. Bei der Anti-Bargeld-Kampagne geht es nicht um die Leute, die etwas zu verbergen haben. Es geht um das Geld aller Bürger, um jedes Konto. Politisches Ziel ist ein überwachter digitaler Geldfluss. Dagegen ist die Vorratsdatenspeicherung der reinste Kindergeburtstag. Bargeld gibt den Menschen Freiheit und Sicherheit, weil die Scheine im Tresor oder unter dem Kopfkissen sicher vor dem Zugriff des Staates sind. Und in Zeiten der Niedrigstzinsen ist Geld in Barform zuhause ebenso gut aufgehoben wie bei der Bank, sofern es nicht gezielt angelegt ist, sondern nur auf dem Festgeldkonto dümpelt. Seit seiner Einführung dient Bargeld nicht nur als Zahlungsmittel. Es erfüllt auch die Funktion der Wertaufbewahrung und zeigt den Stand des Vermögens an. Wer sein Geld nicht mehr anfassen kann, verliert das Gefühl für dessen Wert. Man muss kein Verschwörungstheoretiker sein, um die Stoßrichtung der Kampagne zu erkennen: Wenn es keine Scheine mehr gibt, befindet sich das Geld immer bei der Bank und ist nur noch eine Zahl auf dem Bildschirm oder im dann besten Fall eine Zahl auf einem ausgedruckten Kontoauszug. Da erste Banken auf große Spareinlagen bereits Negativzinsen erheben, kann man sich den Rest denken: Im Ernstfall muss der Bürger dabei zuschauen, wie sein Erspartes an Wert verliert. Der russische Schriftsteller Fjodor Dostojewski hat schon vor mehr als 150 Jahren erkannt: »Geld ist geprägte Freiheit.« Wir sollten alarmiert sein.
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