Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Landwirtschaft
Bielefeld (ots)
Die Schulklasse aus der Stadt besucht einen Bauernhof. Eines der Kinder deutet auf das pralle Euter einer Kuh: »Und da kommt wirklich Milch raus?« Ein anderes fragt: »Und auf welchen Feldern wachsen die Burger?« Ein drittes merkt an: »Guck mal, der Apfel hier hat einen braunen Fleck. Der im Supermarkt ist aber schöner.« Die Unkenntnis, die man vielleicht bei Kindern belächelt, führt bei Erwachsenen zu steigendem Ärger auf Seiten der Landwirte. Zu Zeiten, in denen Öko- und andere Warentester ständig auf neue Spuren von Substanzen stoßen, die gesundheitlich möglicherweise nicht ganz unbedenklich sind, hagelt es schnell scharfe Kritik. Und die Landwirte, die sich in der Gefahr sehen, alle als Giftmischer dargestellt zu werden, kontern entsprechend: »Die haben doch alle keine Ahnung.« Das aber ist genauso ungerecht wie umgekehrt pauschale Schelte auf die Bauern. Schließlich gibt es durchaus noch Familien und auch Singles, die nicht nur Vorbereitetes aus dem Tiefkühlfach oder Convenience-Regal in den Mikrowellenherd stellen, sondern wie zu Omas Zeit selbst kochen. Und die haben durchaus ein legitimes Interesse, zu erfahren, wie die Tiere gehalten werden, deren Fleisch sie verzehren, und wie viel Düngemittel und Pestizide auf den Äckern ausgebracht werden, deren Früchte sie essen. Und nicht zuletzt warum heute so viel mehr Mais und Raps angebaut werden, wo doch das Wenigste davon auf einem Teller landet. Der moderne Landwirt wird nicht umhin kommen, zu akzeptieren, dass kritische Fragen legitim sind. »Wat de Buur nich kennt, dat frett he nich!« heißt es in Platt. Und auf Deutsch: Was der Bauer nicht kennt, dass frisst er nicht! Dieses Recht sollte der »Buur« auch dem Kunden zubilligen, der seine Produkte kauft. Nie war die Kluft zwischen Bauer und Kunde so groß wie heute. Auf der anderen Seite steht die große Verbraucherlüge: Lebensmittelkäufer, die auf die Bauern schimpfen, weil sie »nur auf ihren Profit achten«, aber umgekehrt jedem Schnäppchen hinterher hechten, sind unglaubwürdig. Zunächst müssen alle Landwirte, die sich an Recht und Gesetz halten, sicher sein können, dass sie bei Verstößen nicht unter Generalverdacht gestellt werden. Darüber hinaus bieten Initiativen wie Tierwohl und QS sowie sämtliche Sparten des Biobereichs jedem die Möglichkeit, einen eigenen Beitrag zu einer tiergerechten und Umwelt schonenden Landwirtschaft zu leisten. Das ist auch der beste Weg, diejenigen unter Druck zu setzen, die ebenso einen Großteil der Verantwortung tragen: die weiter verarbeitende Lebensmittelindustrie und der Handel. Zeitschriften wie »Landlust« und Fernsehserien wie »Bauer sucht Frau« geben zwar ein sehr eingeschränktes Bild vom Alltag auf dem Hof. Aber sie beweisen ein großes Interesse. Das sollten Landwirte nutzen. Denn wenn es sie nicht mehr gibt, dann gibt es auch den ländlichen Raum in der Form, in der die Menschheit ihn braucht, nicht mehr.
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