Westfalen-Blatt: zum Terror in Europa
Bielefeld (ots)
Es traf Brüssel, weil für eine dritte Terror-Aktion in Paris die Zeit fehlte. Der ganze Wahnsinn der Täter spiegelt sich in diesem Satz wider. Es gab keine ideologisch oder gar islamisch geprägte Auswahl der Ziele, geschweige denn der Opfer. Man wollte töten und Angst sähen. Und baute dafür offenbar über Jahre hinweg eine straffe Kommando-Struktur auf - unter den Augen der Sicherheitsbehörden, nur ein paar Kilometer von dem Ort entfernt, wo sich jeden Monat Europas Innenminister trafen und den Kampf gegen den Terror planten. Die EU-Metropole hat ihr Vertrauen in die Politik und die Ermittler verloren. Je mehr Details der Taten bekannt werden, umso mehr sind die Menschen getroffen. Die vielen Fahndungspannen ergeben zusammen mit den seit Jahren vorliegenden, aber nicht ernstgenommenen Hinweisen über die Vorgänge in einzelnen Stadtteilen ein fatales Bild. Es kommt einer Bankrott-Erklärung des Staates gleich, der seinen Bürgern eines der wichtigsten Güter nicht garantieren kann: Sicherheit. Deshalb fällt es schwer zu glauben, dass Belgien diese Anschläge ohne politische Konsequenzen und ohne Anfälligkeit für radikale Lösungen überstehen wird. Und wer wollte es den Menschen verübeln? Dabei geht es gar nicht darum, als Lösung nach dem alles überwachenden und kontrollierenden Polizeistaat zu rufen. Aber wer im Angesicht dieser und früherer Anschläge und mit dem Wissen um die perfide-perfekte Organisation der Täter immer noch die oft geforderte europäische Zusammenarbeit zurückstellt oder ablehnt, muss sich tatsächlich fragen lassen, was noch geschehen soll, ehe etwas geschieht. Es geht nicht um schärfere Gesetze. Gebraucht werden keine neue Organisationen, Spezialeinheiten oder Überwachungsbefugnisse. Nötig sind eine effiziente Polizeiarbeit und ein Informationspool, der von Geheimdiensten und europäischen Partnern gespeist wird, damit nicht nur einer weiß, was alle wissen müssten. Es schockiert, dass sowohl die Attentate in Paris wie die von Brüssel hätten verhindert werden können. Und entlarvend ist, dass der deutsche Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen sagt, man müsse im Umgang mit der Terrormiliz IS dazulernen. Deshalb bringt es nichts, auf Belgien herumzuhacken und die sozialen Versäumnisse aufzulisten. Es ist nicht nur dieses Land, das eine umfassende Polizeireform braucht, damit künftig alle Dienste an einem Strang ziehen. Die Hintergründe, die in den nächsten Tagen und Wochen aus den Vernehmungen der verhafteten Terroristen gewonnen werden können, müssen ein Lehrbuch für jeden Fahnder sein. Irgendwann wird Brüssel wie zuvor schon Paris, Madrid, London und Istanbul zum Leben zurückfinden. Aber dann darf keines der Opfer gestorben sein, ohne dass sein Tod spürbare Konsequenzen nach sich zieht.
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