Westfalen-Blatt: zum EU-Türkei-Deal
Bielefeld (ots)
Keine zwei Monate hat die neue Freundschaft gehalten. Schon wird der türkische Präsident wortbrüchig. Dass das Europäische Parlament die Beratungen über die Visafreiheit für Erdogans Landsleute ausgesetzt hat, war ein richtiger und überfälliger Schritt. Als der Präsident die Zusage, alle Bedingungen für die Aufhebung der Einreise-Formalitäten zu erfüllen, aufkündigte, konnten die Abgeordneten nicht anders handeln. Es mag für Erdogan eine neue Erfahrung sein: Aber in der EU gibt es Spielregeln für Volkskammern, die kein Staats- und Regierungschef nach eigenem Gutdünken übergehen kann. Fast schon folgerichtig beginnt nun wieder das Aufschaukeln, die Phase der Erpressungsversuche. Was würde sich dafür besser eignen, als Europa mit einer neuen Flüchtlingswelle zu drohen? Erdogans Ausfälle zeigen, wie hart der innenpolitische Machtkampf in der Türkei verläuft. Der Präsident hat zwar den moderaten Premier Ahmed Davutoglu entmachtet, nicht aber seine Kritiker in den eigenen Reihen. Wie Erdogan eine Niederlage bei seinem wichtigsten außenpolitischen Prestige-Projekt, der Visaliberalisierung mit der EU, verkraften wird, scheint er zu ahnen. Sonst würde er sich nicht derart heftiger und vergeblicher Versuche bedienen, um Europa in die Knie zu zwingen.
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