Westfalen-Blatt: zum Thema »Das Fest und der Terror«
Bielefeld (ots)
Nein, ein Weihnachten wie jedes Jahr ist Weihnachten 2016 nicht. Zu nah noch sind die Ereignisse und Bilder von Berlin. Und zu fern ist die Hoffnung, dass wir es mit einem einmaligen Ereignis zu tun hatten, das sich so oder ähnlich nicht wiederholen kann. Nein, so realitätsvergessen ist niemand - egal wie groß sein Glaube sein mag, egal wie nah ihm die Feier der Geburt Jesu geht, egal wie fest er auf christlich-jüdischem Fundament ruhen mag. Keine Woche liegt die Terrorfahrt vom Breitscheidplatz zurück. Dürfen wir uns da überhaupt auf die Bescherung freuen? Auf Besinnlichkeit und vergnügliche Stunden, wo auch immer und mit wem auch immer? Auf schöne und friedliche Weihnachten? Manch einer wird das zynisch finden. Zynisch liest sich auch folgender Satz: Zum Glück wird Anis Amri keinem Menschen mehr etwas zu Leide tun können! Ich schreibe ihn trotzdem mit voller Überzeugung und füge hinzu: Die italienischen Sicherheitsbehörden haben einen guten Job gemacht, ihnen gebührt unser Dank. Was allerdings nicht nötig gewesen wäre, wenn die Zusammenarbeit zwischen den Ermittlern der verschiedenen Bundesländern nicht ebenso miserabel gelaufen wäre wie die zwischen dem Bund und den Bundesländern. Darüber wird zu reden sein. Keine Woche liegt die Terrorfahrt vom Breitscheidplatz zurück. Trotzdem dürfen wir uns auf Weihnachten freuen. Denn das ändert nichts an unserer Trauer um die Opfer und unserem Mitgefühl für ihre Angehörigen. Ja, wir können das Fest freudig begehen - mit Bescherung, Besinnlichkeit und schönen Stunden. So, wie wir es kennen und es uns wünschen. Sogar ein Familienstreit unter dem Christbaum kann eine anziehende, weil vertraute Wirkung haben. In diesem Jahr ist die Sehnsucht nach Vertrautem, nach Sicherheit, nach einem Stück heiler Welt vielleicht besonders groß. Wir müssen uns nicht schämen, wenn wir unser Glück zuerst im gewohnten Umfeld suchen. Weihnachten hat eine große Kraft! Niemand muss die Geschichte von der Geburt Christi im Stall zu Bethlehem glauben. Ihre Botschaft aber strahlt auch nach mehr als 2000 Jahren noch hell. Es übertönt allen Terror und ist stärker als jeder Hass, wenn es heißt: Gott ist Mensch geworden und hat unter uns gewohnt. Diese Menschwerdung ist es, die wir heute mehr denn je brauchen. »Mach's wie Gott, werde Mensch«, hat es der Limburger Bischof Franz Kamphaus einst auf eine fantastische Formel gebracht. »Mensch werden, Mensch sein, Mensch bleiben« - gerade zum Fest 2016 kann das eine eindrucksvolle Botschaft sein. Frohe Weihnachten!
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