Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Fußball-EM 2024
Bielefeld (ots)
Noch sind die Erinnerungen an die Fußball-WM in diesem Sommer so anhaltend gruselig, dass jede Qualifikation, die Deutschland vorläufig nicht spielen muss, für Erleichterung sorgt. Und soviel lässt sich sagen: Bei der Europameisterschaft 2024 wird eine DFB-Auswahl dabei sein. Das ist der Vorzug der Gastgeberrolle, auch wenn das im Reglement offiziell zu bestätigen bleibt. Ob Präsident Reinhard Grindel jetzt in überbordender Begeisterung gleich mal mit Bundestrainer Joachim Löw einen Deal bis 2024 ausmacht? Dem Mann ist schließlich so einiges zuzutrauen. Die unsinnige, weil voreilige Verlängerung mit dem Chefcoach bis zur WM in Katar 2022 verhinderte im Grunde eine allzu ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Vorrunden-Aus in Russland in diesem Sommer. Das Vertrauen in Löw wurde bereits zementiert, noch bevor der Bundestrainer seine Selbstkritik platzieren konnte. Grindels Rolle in der Özil-Affäre war von Widersprüchen durchsetzt. Ungelenk eierte er über das sportdiplomatische Parkett. Es gab einige Fettnäpfchen mehr, die der 57-Jährige zielsicher erwischte, und sonderlicher Beliebtheit erfreut er sich in der Frankfurter DFB-Zentrale dem Vernehmen nach auch nicht, da zu Ausbrüchen und Ruppigkeit neigend. Zuletzt musste Grindel erleben, dass ein elektronischer Briefverkehr durchgestochen wurde, in dem es um die vom Präsidenten gewünschte Verlegung des Peru-Länderspiels ging. Frankfurt war ihm im Hinblick auf eine erfolgreiche EM-Bewerbung offenbar aufgrund des Randale-Potentials zu riskant. Zu groß auch das Stadion. Leere Plätze bei einem Auftritt des Nationalteams - das wäre nicht eben eine Werbung gewesen. Es ging tatsächlich woanders hin (Sinsheim). Die deutsche Fußball-Präsidenten-Dämmerung konnte nur die Abstimmungsmehrheit in Nyon aufhalten, und siehe da: Als Uefa-Chef Aleksander Ceferin den Umschlag aufriss, einen weißen Zettel herausfingerte, auf dem »Germany« stand, da durfte der nervöse Grindel zumindest vorerst aufatmen. Das Ergebnis gestern verschafft ihm Zeit. Der nächste Bundestag mit Präsidentenwahl findet allerdings schon in einem Jahr statt, eine weitere Amtszeit bis 2022 erscheint bereits jetzt höchst unwahrscheinlich. Im Augenblick herrscht Glückseligkeit, sogar für die brüchige politische Situation im Land mag der überwältigende 12:4-Erfolg der deutschen EM-Bewerbung einen angenehmen Effekt haben. Zumindest deutet dies die Anzahl der wohlwollenden und eilfertigen Äußerungen aus dem Bereich der Staatsbediensteten an. Wir sind mal wieder alle Fußball. Klasse. Als Placebo zur Aufhellung der Landeslenker-Launen und ihrer Befindlichkeiten kann die Beschaffung eines solchen Turniers kurzfristig eine Hilfe sein. Kicken als Kitt für das Volk. Man wird sehen, wie sehr das dann in sechs Jahren als Losung benötigt wird.
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