Westfalen-Blatt: das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Kirche und Missbrauch
Bielefeld (ots)
Geschiedene und wiederverheiratete Erzieherinnen in einem katholischen Kindergarten - so etwas ging jahrzehntelang gar nicht. Auch katholische Religionslehrer oder -lehrerinnen, die in »wilder Ehe« lebten, bekamen so ihre Probleme. Ein rechtskräftig verurteilter pädophiler Priester, der sich an Kindern vergangen hatte, musste allerdings nicht um seine Stelle fürchten. Das zeigt der skandalöse Fall des Heinz Pottbäcker im Bistum Münster.
»Es gab Entscheidungen, vor denen man heute fassungslos steht«, sagte der stellvertretende Generalvikar des Bistums Münster, Jochen Reidegeld, jetzt in Rhede, dort, wo erst ein Opfer den Fall Pottbäcker ins Rollen gebracht hatte. Das Entsetzen nimmt man Reidegeld ab, das entschuldigt zunächst aber gar nichts. Es bleibt dabei, früher war Missbrauch von Kindern in der Obhut der Kirche kein Thema. Aus einem einzigen Grund: Die nach katholischer Lesart heilige Institution durfte nicht beschädigt werden. Dem hatte sich auch eine Aufarbeitung krimineller Übergriffe unterzuordnen. Unfassbar!
Erst jetzt, viele Jahre später, zeigt die Kirche Reue. Das tut sie aber zumeist nur dann, wenn es anders gar nicht mehr geht. Hätte sich das Opfer aus Rhede nicht an das Bistum gewandt, wäre der Fall je bekannt geworden? Erst im September hatten alle Bistümer Berichte zum sexuellen Missbrauch in den vergangenen Jahrzehnten vorgelegt, nach anfänglichem Zögern und ohne die Archive Außenstehenden zu öffnen. Vom Fall Pottbäcker war da noch nicht die Rede.
Was die Sache noch abstoßender macht, ist die Tatsache, dass nicht irgendwer, sondern der damalige Generalvikar und spätere Bischof Reinhard Lettmann die Hand über den Täter hielt. Selbst als der pädophile Geistliche 15 (!) Jahre später erneut verurteilt wurde - da war Lettmann bereits oberster Hirte in Münster - passierte nichts, außer dass der Täter erneut versetzt wurde. Nach Angaben des Bistums soll er sich auch danach erneut Kindern genähert haben.
Die Grundhaltung des Bistums hat es auch andernorts gegeben. Der frühere Freiburger Erzbischof und langjährige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, hat erst vor wenigen Tagen Fehler im Umgang mit Missbrauchstaten katholischer Priester eingeräumt. Sein Nachfolger in Freiburg, Erzbischof Stephan Burger, hatte ihn zu dieser Aussage gedrängt und eingeräumt, dass zu Zollitschs Zeiten Personalakten manipuliert worden seien. Es stellt sich die Frage: Was kommt da noch alles?
Ja, die Kirche wird derzeit mit einer Vergangenheit konfrontiert, für die die jetzige Führungsriege zunächst keine Verantwortung trägt. Sie muss aber dafür sorgen, dass die mangelnde Aufarbeitung vergangener Verbrechen nicht zu weiterer Schuld führt. Es geht um Menschen, nicht um das Ansehen einer Institution.
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