Westfalen-Blatt: Kommentar zur deutschen Verteidigungspolitik
Bielefeld (ots)
Die politischen Umstände, unter denen die Nato 1949 gegründet wurde, kennen die meisten nur noch aus den Geschichtsbüchern. 40 Jahre später glaubten dann viele nicht nur an »das Ende der Geschichte«, sondern auch daran, dass die Nato überflüssig geworden sei. Der Fall der Mauer, der Zerfall des Ostblocks und die Auflösung des Warschauer Paktes sorgten für einen naiven Optimismus, der allerdings mit dem Krieg auf dem Balkan rasch wieder dahin war.
Heute nun, zum 70-jährigen Bestehen, sieht sich das Bündnis vor unverändert große Herausforderungen gestellt. Diese kommen von außen - wobei vor allem Russland und China zu nennen sind. Und sie kommen von innen, wie die Verwerfungen zwischen den aktuell 29 und bald 30 Mitgliedsländern zeigen. Dabei genügte ein Wladimir Putin, um die Nato herauszufordern. Der Krieg in der Ukraine und die Besetzung der Krim haben gezeigt, wie schwer es sein kann, den Frieden in Freiheit zu verteidigen.
Was aber sind uns diese gemeinsamen Werte wert? Die Kritik der USA am Unwillen der Europäer, sich angemessenen an Aufgaben und Kosten zu beteiligen, ist nicht neu und gewiss keine Erfindung von Donald Trump. Vor allem aber: Sie ist berechtigt. Und anders als seinen Vorgängern traut man diesem US-Präsident zu, seinen Drohungen Taten folgen zu lassen. Nie stand das Beistandsversprechen aus Artikel 5 des Nordatlantikvertrages stärker in Frage als es aktuell der Fall ist. Europa sollte es also besser nicht darauf ankommen lassen. Und zwar nicht etwa, um Trump einen Gefallen zu tun, sondern um Millionen Europäern einen Dienst zu erweisen.
Was uneingeschränkt auch für Deutschland gilt, dessen Rolle sich im Laufe der Mitgliedschaft stärker verändert hat als die jedes anderen Nato-Partners. War der Beitritt der Deutschen 1955 nach dem Schrecken der Nazi-Herrschaft nachvollziehbar hier und da noch von Sorge und Argwohn begleitet, ist es 2019 längst so, dass nicht nur die Trump-USA Deutschland zu größerer Verantwortungsübernahme drängen. Auch die Länder Osteuropas wünschen sich eine viel aktivere Rolle der Deutschen.
Das aber steht in einem bemerkenswerten Kontrast zum gesellschaftspolitischen Diskurs hierzulande. Dass die von Angela Merkel (CDU) geführte Regierung in puncto Rüstungsausgaben nicht nur das Zwei-Prozent-Ziel längst aus den Augen verloren hat, sondern nicht einmal mehr die jüngst versprochenen 1,5 Prozent anpeilt, sorgt in der Bevölkerung eher für Zustimmung als für Kritik. Was ein alarmierendes Zeichen ist: Mehr als 60 Jahre Mitgliedschaft haben uns Deutschen offenbar nicht gereicht, um den unschätzbaren Wert der Nato für unser Land zu erkennen.
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