Westfalen-Blatt: ein Leitartikel zu AKK und von der Leyen
Bielefeld (ots)
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich zu ihrem 65. Geburtstag gleich zwei Geschenke selbst gemacht. Ursula von der Leyen sitzt künftig an den Hebeln der Machtzentrale Europas. Und eine weitere Vertraute, Annegret Kramp-Karrenbauer, ist als neue Bundesverteidigungsministerin und CDU-Vorsitzende wieder ins Rennen um die Kanzlerschaft zurückgekehrt. Merkel hat mit ihrem Schachspiel um die Macht gleich mehrere - auch eigene - Probleme auf einmal aus dem Weg geräumt. Ursula von der Leyen hatte mittlerweile einen derart großen Scherbenhaufen aufgetürmt, dass sie als Verteidigungsministerin ein Problem in Merkels Kabinett war. Die Liste an Pannen ist lang bei der Bundeswehr: »Gorch Fock«, Material- und Ausrüstungsmängel, blamable Ausfälle bei der Flugbereitschaft des Bundestages, die Berater-Affäre und die schlechte Stimmung in der Truppe sind nur einige Gründe, warum von der Leyen nicht mehr lange zu halten gewesen wäre. Nicht alles ist ihr persönlich anzulasten. Dennoch hinterlässt sie kein bestelltes Feld, sondern eine Bundeswehr voller Baustellen. Als der CSU-Politiker Manfred Weber, von dem Merkel ohnehin nicht überzeugt erschien, raus aus dem Rennen war, konnte sie von der Leyen nach Brüssel wegloben und somit gleichzeitig den Weg für AKK in die Regierung frei machen. Europa-Spitzenposten gut besetzt, ihrer möglichen Nachfolgerin ein wichtiges Amt mit viel Verantwortung zugespielt - besser hätte es aus Merkels Sicht nicht laufen können. Politik ist eben ein knallhartes Geschäft. Da geht es um Macht und Posten - nicht immer nur darum, wie die Öffentlichkeit das findet. Weil niemand anderes das politische Spiel um den Machterhalt besser beherrscht als Angela Merkel, hält sich die Rücksichtnahme gegenüber einer zum Teil aufgewühlten Öffentlichkeit angesichts nicht nachvollziehbarer Personalentscheidungen mit »Beförderungen« in Grenzen. Drohende Umfrageverluste und eine weiter zunehmende Politikverdrossenheit müssen hintenanstehen, wenn die Macht gesichert werden will - und die Probleme in den eigenen Reihen selbst so groß sind, dass schnelles Handeln nötig ist. Alles andere bedeutet Schwäche. Für Annegret Kramp-Karrenbauer ist es die vielleicht letzte Chance, noch die Kurve Richtung Kanzleramt zu kriegen. Als Verteidigungsministerin kommt sie jetzt auf die große politische Bühne. Sie riskiert viel und muss kämpfen und sich bewähren. Auch Ursula von der Leyen ging volles Risiko - und gewann. Merkel hat die Weichen gestellt. Ob ihr Plan aufgeht, hängt von den Landtagswahlen im Herbst, der Entscheidung der SPD über ihre Vorsitzenden, vom Wirken Kramp-Karrenbauers als Ministerin und nicht zuletzt auch von Merkels eigener Gesundheit ab.
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