Die Mobilitätswende kommt - aber sie braucht neue Ansätze
Oliver Wyman-Umfrage zu Smart Mobility Services
München/Frankfurt (ots)
Der innerstädtische Fuhrpark wird immer bunter, doch E-Roller, Ridesharing & Co. stoßen in Deutschland bisher noch auf mangelnde Akzeptanz und ersetzen auch in Großstädten noch nicht das Privatauto. Eine Umfrage der Strategieberatung Oliver Wyman belegt Zurückhaltung und geringe Zahlungsbereitschaft der potenziellen Kundschaft. Für Autohersteller bieten sich dennoch Chancen: Sie können die Übergangszeit nutzen, um sich weiter zu Mobilitätsanbietern zu transformieren, neue Flottenmanagement-Kompetenzen aufzubauen und ihr Produkt auf den Kunden der Zukunft auszurichten. Denn auch wenn der Mobilitätswandel langsamer kommt als gedacht, bleibt er alternativlos.
Schwärme von E-Rollern flitzen durch Deutschlands Großstädte. Digital gestützte Systeme für Zweiräder, Taxis, Autos und Kleinbusse drängen auf den Markt - die Geschäftsideen reichen von Rent über Share bis Ride-Hailing, also von Mieten über Teilen bis zum Mitfahren.
Angebotsseitig ist die Mobilitätswende schon da. Doch eine aktuelle Befragung der Strategieberatung Oliver Wyman unter 1.000 Bundesbürgern zeigt, dass die Deutschen noch zögerlich sind: 78 Prozent der Befragten nutzen aktuell keinen der neuen Mobilitätsdienste, 63 Prozent sind nicht bereit, das eigene Auto vollständig durch Smart Mobility Services zu ersetzen. Sogar in Großstädten mit mindestens 500.000 Einwohnern stehen 80 Prozent kompromisslos zum eigenen Auto. "Eine belastbare Alternative zum Individualverkehr stellen die neuen Mobilitätsdienste heute noch nicht dar", sagt Joachim Deinlein, Partner bei Oliver Wyman. "Auch in Großstädten ersetzen sie nicht das private Auto, sondern sorgen vorerst nur für einen größeren Fuhrpark - ohne spürbaren Entlastungseffekt."
Preis, Verfügbarkeit und Komfort als größte Hemmnisse
Als Hemmnisse erweisen sich aus Konsumentensicht vor allem drei Faktoren: der als hoch empfundene Preis, die mangelnde Verfügbarkeit sowie Komfortdefizite. 16 Prozent der potenziellen Kunden geben zu hohe Kosten der neuen Mobilitätsdienste als Grund für ihre Ablehnung an. 21 Prozent bemängeln, dass die Dienste den persönlichen Transportbedarf nicht ausreichend abdecken. Ebenfalls 21 Prozent empfinden die Flexibilität und den gebotenen Komfort als nicht hoch genug.
Scheitert die neue Mobilität an mangelnder Akzeptanz? Auch wenn die Anbieter heute nicht profitabel sind, müssen und werden sie weiter an neuen Lösungen arbeiten, sagt Deinlein. "Der weltweite Mobilitätsbedarf wird bis 2030 um 4,5 Prozent jährlich ansteigen. Der Mobilitätswandel ist und bleibt alternativlos, will man das Verkehrs- und Umweltthema innerstädtisch in den Griff bekommen," so Deinlein.
In die Gewinnzone kommen
Um in die Gewinnzone zu kommen, können die Autohersteller unterschiedliche Wege einschlagen. Dazu gehört, sich weiter konsequent vom Produkt- zum Serviceanbieter zu transformieren und eine Mobilitätscommunity mit konstantem Austausch aufzubauen - etwa durch innerstädtische Mobilitätsplattformen, in die unterschiedliche Mobilitätsträger vom Fahrrad über den E-Roller bis hin zum Auto einbezogen werden. Partnerschaften gewinnen enorm an Bedeutung. "Nur im Konsortium können die Mobilitätsthemen der Städte angegangen werden", sagt Deinlein. "Es geht darum, gemeinsame Lösungen zu entwickeln, die maßgeschneidert für die Bedürfnisse einer Stadt sind, von Infrastruktur bis hin zu Diensten."
Auch wenn Autohersteller die Mobilitätsdienstleistungen nicht selbst anbieten, müssen sie das Geschäft nicht der Konkurrenz überlassen. So können sie das Flottenmanagement erweitern, um unterschiedliche Mobilitätsdienste zu bedienen. Der gleiche Fuhrpark kann dann für verschiedene Dienste wie etwa Sharing, Hailing, Kurzzeit-Leasing oder Abomodelle genutzt und die Auslastung erhöht werden. Ernste Konkurrenz erwächst den Herstellern von bekannten Mietwagenfirmen, die Kundenmanagement beherrschen und mit Nachdruck in das erweiterte Mobilitätsgeschäft einsteigen. "Sie bringen als große Erfahrung mit, was die Steuerung der Flotten angeht", sagt Sascha Coccorullo, Principal bei Oliver Wyman. "Diese Kompetenzen müssen Autohersteller aufbauen, wenn sie im Auslastungsmanagement erfolgreich sein wollen."
Ein weiterer Weg zum Erfolg liegt den Experten zufolge in der Entwicklung von Fahrzeugen, die speziell für innerstädtische Mobilität in "Sharing"-Lösungen gemacht sind. Denn der Umfrage zufolge kommt es den Kunden kaum auf die Marke an: Der Preis ist für 30 Prozent der wichtigste Entscheidungsfaktor bei der Wahl des Mobilitätsdienstes, gefolgt von Verfügbarkeit (25 Prozent), Nachhaltigkeit (13 Prozent) und erst am Ende der Marke (5 Prozent). "In der Neuen Mobilität gibt es keine Loyalität mehr", sagt Coccorullo. "Für Autohersteller gilt es daher, sich auf den Kundennutzen und die Zweckmäßigkeit der Fahrzeuge zu fokussieren. Fahrzeuge für neue Mobilitätsdienste müssen nicht premium sein, sondern bestmöglich den Zweck erfüllen - insbesondere, wenn der Kunde zukünftig nicht mehr selbst fährt."
Regulatorische Eingriffe vonnöten
Sicher, sauber, schnell und günstig - diese Vision der Neuen Mobilität liegt noch in der Zukunft. Auch wenn das Konvergieren von ACES (Autonom, Connected, Electric, Shared), insbesondere autonomes und elektrisches Fahren, der neuen Mobilität einen kräftigen Schub geben wird, weiß Deinlein: "Der Mobilitätswandel auf der Kundenseite wird ohne Unterstützung nicht so schnell stattfinden." Beispiele wären die Schaffung dedizierter Parkflächen für Sharing-Angebote, gesteigerte Attraktivität des ÖPNV, Unterstützung beim Aufbau von Ladesäulen und Bevorzugung elektrischer Mobilität. "Ohne Anreize für umweltschonende oder alternative Verkehrsangebote bleibt die Geschwindigkeit der Veränderung sehr gering", sagt Deinlein. In jedem Fall sollten Fahrzeughersteller und andere Mobility-Player auf langfristige Strategien setzen, da der Wandel nicht über Nacht, aber mit Sicherheit kommen werde.
Über die Analyse
Für die Analyse hat Oliver Wyman im August 2019 über 1.000 Konsumenten in Deutschland zu ihrem Mobilitätsverhalten befragt.
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