RNZ: Starker Staat
Heidelberg (ots)
Von Klaus Welzel Hand aufs Herz: Wer hätte vor zwei Wochen gedacht, dass der deutsche Staat in der Lage sein wird, ein 500 Milliarden Euro umfassendes Hilfspaket für die Banken zu schnüren? Und selbst, wenn davon "nur" 20 bis 100 Milliarden in Anspruch genommen würden - auch dann wäre das eine gigantische Summe. Natürlich handelt es sich bei dem Paket im Grunde um ein virtuelles Päckchen. Es wurde als Projektion geschaffen, in Anspruch nehmen soll es möglichst niemand. Das Paket ist ein Antidepressivum für die taumelnde Finanzbranche, damit diese wieder Vertrauen fasst. Vertrauen in sich selbst. Wie erschüttert die Branche ist, zeigt - im Kleinen - die Verzichtsgeste von Deutsche Bank Chef Josef Ackermann. Er, der noch vor kurzem Renditemargen von 25 Prozent vorgab, der Mitarbeiter trotz hoher Gewinne entließ, ausgerechnet dieser Turbokapitalist gibt sich nun kleinmütig und solidarisch. Und dass die Finanzwelt überhaupt nach dem selben starken Staat ruft, jenem Staat, dem sie bisher immer vorwarf, die Wirtschaft nur zu gängeln, das ist die dritte und die größte Überraschung dieser Tage. All das zusammen lässt nur einen Schluss zu: Die Lage ist viel ernster als die allermeisten anfänglich vermuteten. Gesellschaftlich gewinnt vermutlich der "rheinische Kapitalismus" wieder an Boden; quasi als Gegenentwurf zur kalten Globalisierung, die uns erst die Jobs und dann das Geld aus dem Land spülte. Der Staat hat sich dabei in der Krise bewährt, er ist sogar stärker als die vermeintlich Stärksten (also die finanziell Potentesten). Doch auch der Staat steht erst noch vor seiner eigentlichen Bewährungsprobe. Wenn auf die Krise erst einmal eine Rezession folgt, dann benötigt der Staat sehr viel (Steuer-) Geld, um soziale Verwerfungen abzufedern. Jetzt kommt es erst einmal darauf an, das Rettungspaket wirken zu lassen. Führt es im internationalen Konzert zur Trendumkehr, so kommt auch Deutschland vermutlich mit einem blauen Auge davon. Machen die Aktienkurse aber weiterhin, was kopflose Spekulanten wollen, so wird der Staat 2009 noch einmal tief in die Kasse greifen müssen. Trotz ihres beinahe gegensätzlichen Wirtschaftsweltbildes haben Union und SPD jedenfalls in dieser Woche bewiesen, dass sie bereit sind, das Land zu führen. Bleibt zu hoffen, dass dieser Schwung im Wahlkampf nicht nachlässt. Die Finanzkrise kennt nämlich keine Parteien.
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