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Deutsche Marine - Pressemeldung: Kölner koppelt Kurs nach Kolumbien
Glücksburg (ots)
Karibisches Meer - Es ist Mittwoch kurz nach 12 Uhr mitten in der Karibik. Die deutsche Fregatte "Sachsen" nimmt gerade Kurs auf die Küste Kolumbiens. Nach über zehn Jahren sollen am folgenden Tag erstmals wieder deutsche Marineschiffe in einen Hafen Kolumbiens einlaufen. Zielort ist Cartagena. Auf dem offenen Meer, auf dem Weg dorthin, brennt die Sonne gnadenlos vom Himmel. Auf der Außenplattform neben der Brücke der Fregatte "Sachsen" steht Oberbootsmann Wolfgang Hopf, seines Zeichens Navigationsmeister. Mit einem Sextanten peilt der 28-Jährige den Horizont an. An dem Instrument sind mehrere Spiegel angebracht und der Zeigerarm, die sogenannte Alhidade, mit dem der Winkel zum Gestirn gemessen wird. "Das sieht kompliziert aus", sagt Oberbootsmann Hopf, "aber letztlich ist das eine einfache Winkelberechnung. Ich habe hier eine Skala von minus fünf bis 120 Grad, dementsprechend Bogenminuten genannt. Mit einem Okular schaue ich durch den Horizont. Vor dem Okular ist ein kleiner Indexspiegel angebracht. Über die Alhidade wird der große Indexspiegel auf den Stern oder das Gestirn, in diesem Fall die Sonne, eingestellt. Die Alhidade muss so ausgerichtet werden, dass der Sonnenunterrand am untersten Punkt den Horizont berührt. Ich lege quasi die Sonne und den Horizont übereinander und die Differenz dazwischen ist dann entsprechend der Höhenwinkel, den ich zu diesem Gestirn habe."
Wellen stören die Genauigkeit
Insgesamt dreimal misst Oberbootsmann Wolfgang Hopf an diesem Tag den Winkel zwischen Horizont und Gestirnen, morgens und abends "schießt" er Sterne, mittags die Sonne. Erst dann lässt sich eine präzise Aussage über die Position treffen. Im besten Fall ist die auf weniger als eine Meile genau. Der Kölner ist selbst jedes Mal gespannt. Jede Welle geht auf Kosten der Genauigkeit. Laien staunen, und fragen sich, wie die alten Seefahrer auf diese Weise ans Ziel gekommen sind. Und auch dem Profi nötigt dies Respekt ab. "Wir Navigatoren haben ja praktisch nur drei Zeitpunkte am Tag, an denen wir das machen können", sagt Hopf, "da ziehe ich meinen Hut vor den alten Seefahrern."
Sextanten seit 1730
Es war übrigens Isaac Newton, von dem der erste Entwurf für ein Gerät zur Winkelmessung mithilfe von Spiegeln stammte. Im Jahr 1700 reichte er sein Konzept an der legendären Royal Society in London ein, freilich ohne Beachtung zu finden. Seine Skizzen wurden erst nach seinem Tod veröffentlicht. Um 1730 entwickelten der englische Astronom John Hadley und der Optiker Thomas Godfrey Sextanten. Hadleys Konstruktion erwies sich als die bessere und wurde der Vorläufer aller weltweit eingesetzten Sextanten. Über Jahrzehnte waren diese Instrumente das wichtigste Mittel zur Positionsbestimmung in der Seefahrt.
Viel frische Luft und immer ein Fenster zum rausgucken
Auch wenn an Bord von Marineschiffen längst mit Satelliten-Technik - also mit GPS - die Position bestimmt wird, die klassische Astronavigation ist auch heute noch ein wesentlicher Ausbildungsbestandteil für Marineoffiziere und Navigationssoldaten. "Wer Navigationsmeister werden will, der muss in diesem Fach bestehen." Und die Prüfungsaufgaben hätten es in sich, so Hopf. Seine Berufsausbildung als technischer Zeichner war hilfreich, ist aber kein Muss. Der gebürtige Rheinländer kam mit 24 Jahren zur Marine. In seinem alten Betrieb wurde ausgedünnt - Anlass für eine berufliche Neuorientierung. Hopf entschied sich für die Marine. Seit drei Jahren fährt er nun auf der Fregatte "Sachsen". Dass er für die Navigation ausgewählt wurde, empfindet der Oberbootsmann als Sechser im Lotto. "Ich bin viel an der frischen Luft" sagt er lächelnd, "und ich kann immer rausgucken, denn Fenster gibt es im Schiff nicht viele. Ich weiß schon im Vorfeld, wo es hingeht, denn wir Navigationssoldaten arbeiten die Routen aus und sind näher an der Informationsquelle als andere." Und seit im Jahr 2005 das elektronische Seekartensystem ECDIS an Bord der "Sachsen" installiert wurde, sei vieles komfortabler geworden. Koordinaten, Geschwindigkeit, Strömung, Wetter, Uhrzeit, es sind viele Daten, die ins ECDIS einfließen. Papierkarten gebe es zwar auch noch an Bord, aber die dienten eher der Demonstration, so der Navigationsmeister.
Schiffstagebuch ist Urkunde
Trotz der vielen Hightech an Bord herrscht auf der Brücke immer noch Hochspannung, wenn beispielsweise Revierfahrt ansteht. Beim Ein- und Auslaufen des Schiffes sei der ganze Navigationsabschnitt auf Station, sagt Hopf. "Uns liegen zwar die Hafenberichte von den Schiffen vor, die schon mal in einem Hafen gewesen sind, aber wir müssen uns dennoch ausführlich mit dem Gebiet auseinandersetzen. Jeder Hafen ist anders." Selbst der Heimathafen Wilhelmshaven dürfe für den Navigator nie zur Routine werden. Jede Kurs- und Fahrtänderung, das Wetter und alle wichtigen Geschehnisse an Bord werden übrigens im Schiffstagebuch eingetragen. "Das Schiffstagebuch ist eine Urkunde und muss auch so behandelt werden", erklärt der Navigationsmeister. Alles, was ergänzt beziehungsweise eingeklebt wird, müsse urkundlich gesiegelt werden. Gute 15 Seiten kämen jeden Tag dazu. Es gibt viel zu berichten und aufzuschreiben. Und wenn Hopf im Juni wieder mit der "Sachsen" in die Heimat kommt, wird der Frau und Kind noch einmal berichten können - von tollen Erlebnissen auf See und seiner Arbeit. Seine Partnerin ist übrigens vom Fach - Seemannsgarn hat deshalb in seinen Berichten keinen Platz.
Drei Tage Kolumbien - dann Weiterfahrt in die USA
Doch erst einmal warten auf Hopf und seine 650 Kameraden des diesjährigen Einsatz- und Ausbildungsverbandes, zu dem neben der Fregatte "Sachsen" auch die Fregatte "Lübeck" und der Einsatzgruppenversorgers "Frankfurt am Main" gehören, drei Tage im Hafen von Cartagena. Die Hauptstadt der kolumbianischen Provinz Bolivar ist seit 1984 UNESCO-Weltkulturerbe und lockt mit unzähligen kleinen bunten Gassen, Hochhäusern und großen Festungsanlagen aus der spanischen Kolonialzeit. Die Marinesoldaten werden viel sehen und entdecken können. Ein Begegnungsprogramm zwischen der deutschen und der kolumbianischen Marine ist Bestandteil des Hafenbesuchs. So werden kolumbianische Marinesoldaten die Deutschen an Bord besuchen, um einen Eindruck von der Leistungsfähigkeit der Schiffe zu bekommen. 74 deutsche Offiziersanwärter, die zurzeit auf den drei Schiffen ein Bordpraktikum absolvieren, besuchen am morgigen Samstag die kolumbianische Marineschule. Sie werden sich dort mit kolumbianischen Kadetten sportlich messen. Am Sonntagmorgen bricht der kleine Marineverband in Richtung Fort Lauderdale in Florida auf.
Hintergründe zum Einsatz- und Ausbildungsverband
Der EAV dient der Ausbildung von Offiziersanwärtern der Deutschen Marine. Sie sollen auf den Schiffen alle Abschnitte eines Marineschiffs kennenlernen. Die Männer und Frauen werden von erfahrenen Offizieren und Unteroffizieren angeleitet, um umfassende Einblicke in die sogenannten Hauptabschnitte Nautik, Schiffstechnik und Operation zu erhalten. Der Gefechtsdienst an Bord bildet einen Schwerpunkt der Ausbildung, darunter fällt auch die Schiffssicherung. Diese beinhaltet die Bekämpfung von Wassereinbrüchen und Feuer an Bord. Auch umfangreiche Rettungsmanöver wie zum Beispiel "Mann über Bord" kommen nicht zu kurz. Der Einsatz- und Ausbildungsverband (EAV) ist - wie der Name sagt - nicht nur für die Ausbildung der Offiziersanwärter da, sondern auch ein Einsatzverband. Er kann bei Bedarf jederzeit zu einem militärischen Einsatz oder zu Manövern abgerufen werden. Die drei Marineschiffe sind seit dem 20. Januar dieses Jahres unterwegs und werden am 13. Juni in ihren Heimathäfen Wilhelmshaven und Kiel zurückerwartet.
Autoren: Mareile Kneisel und Lars Christian Hoffmann, Deutsche Marine Fotos: Ann-Kathrin Fischer, Deutsche Marine
Weitere Informationen rund um die Marineeinsätze und das oben genannte Thema finden Sie in unserem Internetportal www.marine.de.
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