NDR Recherche: Plastikhersteller verfehlen Recyclingziel
Sendehinweis: "Panorama", Donnerstag, 10. April um 21:45 Uhr im Ersten
Hamburg (ots)
Die europäische Plastikindustrie wird nach Recherchen des NDR ein wichtiges Recyclingziel in diesem Jahr weit verfehlen. Damit ist auch das Ziel der Branche, bis 2050 klimaneutral zu werden, kaum noch zu erreichen.
Der Verband Plastics Europe stellte 2021 in Aussicht, dass in Europa im Jahr 2025 1,2 Millionen Tonnen Kunststoffe mit sogenannten chemischem Recycling produziert würden. 2023 reduzierte der Verband die Prognose auf 900.000 Tonnen. Doch auch dieses Ziel wird nach Recherchen des ARD-Magazins "Panorama" (NDR) weit verfehlt. 2024 waren es demnach weniger als 100.000 Tonnen. Eine deutliche Steigerung ist auch dieses Jahr nicht möglich.
Als "chemisches Recycling" werden unterschiedliche Verfahren bezeichnet, bei denen zum Beispiel Plastik durch Hitze wieder zu Öl umgewandelt wird. So soll klimaschädliches Erdöl ersetzt werden.
Doch viele angekündigte Projekte für chemisches Recycling wurden nicht realisiert. Weltweit sind nur wenige Anlagen in Betrieb, die meisten von ihnen in Europa. Aber auch hier sind es vor allem kleine Werke. Die Geschäftsführerin von Plastics Europe Deutschland, Christine Bunte, räumte im Interview mit dem ARD-Politikmagazin "Panorama" (NDR) ein, dass "noch sehr wenig Kunststoff aus chemischem Recycling hergestellt" wird. Das habe verschiedene Gründe. Es liege an den Kosten und einem "Nachfrage-Defizit", aber man habe auch "technologisch noch Rückschritte erlebt".
Der Verband schätzt, dass 2024 durch chemisches Recycling nur 120.000 Tonnen Rohstoffe wiedergewonnen wurden. Einige Marktanalysten gehen sogar von noch geringeren Mengen aus. Unklar ist auch, welcher Anteil der gewonnenen Rohstoffe später für die Herstellung von neuem Plastik genutzt wurde. Der Verband teilte auf NDR Anfrage mit, er gehe von 70.000 Tonnen "als gesicherte untere Grenze" aus, die in die Kunststoff-Produktion gegangen seien. Wie viel neues Plastik daraus tatsächlich hergestellt wurde, ist unklar. Jedenfalls ist die Menge weit entfernt von den für dieses Jahr versprochenen 900.000 Tonnen.
Große Anlagen für chemisches Recycling sind "sehr, sehr schwierig zu realisieren - tatsächlich so schwierig, dass wir es noch nicht hinbekommen haben", sagt Kerstin Kuchta von der TU Harburg. Sie beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit diesen Verfahren. Der Abfall, der in den Reaktoren zersetzt werden soll, ist oft feucht, verdreckt und enthält verschiedenste Stoffe. Die chemischen Prozesse sind deshalb nie komplett gleich. In großen Anlagen sei das technisch "nicht beherrschbar im Moment, und ich würde auch sagen, nicht in den nächsten 20 Jahren", so Kuchta.
So wird der Anteil des Kunststoffs, der so produziert wird, voraussichtlich vorerst gering bleiben. Dabei hatten Plastics Europe und der Verband der Chemischen Industrie (VCI) im Jahr 2022 das chemische Recycling als "ein Schlüsselelement für die Erreichung der Treibhausgasneutralität" bezeichnet.
Auch der Ausbau des klassischen, mechanischen Recyclings kommt nicht so schnell voran wie geplant. 2018 hatte die EU-Kommission eine "Circular Plastics Alliance" gestartet mit dem Ziel, im Jahr 2025 insgesamt 10 Millionen Tonnen recyceltes Plastik in der EU zu nutzen. Viele Unternehmen sagten zu, das zu unterstützen. Doch nach NDR Recherchen ist sehr unsicher, ob das Ziel noch zu erreichen ist. 2022 lag die Marke bei weniger als 7 Millionen Tonnen. Und seit 2023 ist die Nachfrage nach recyceltem Plastik und damit auch dessen Produktion ins Stocken geraten, weil neues Plastik aus Erdöl billiger ist.
Derzeit verursachen Herstellung und Entsorgung von Kunststoffen weltweit etwa zwei Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr. Laut einer OECD-Prognose soll sich der jährlich Plastik-Verbrauch bis 2060 verdreifachen. Die Branche hat das Ziel, bis 2050 klimaneutral zu werden, und hält auch trotz der Probleme beim Ausbau des Recyclings laut eigener Aussage daran fest.
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