Kölnische Rundschau: zu Missbrauch/Katholische Kirche
Köln (ots)
Mit "wachem Interesse, großer Betroffenheit und tiefer Erschütterung" hat der Papst den Bericht von Erzbischof Robert Zollitsch entgegengenommen. Man ahnt, in welch angespannter Atmosphäre das Gespräch mit dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz verlaufen sein wird. Zollitsch hat sich sehr spät zu den Fällen von Misshandlung und sexuellem Missbrauch geäußert, die zum Teil nach Jahrzehnten publik wurden. Die deutlichsten Worte - "tiefe Enttäuschung, Schmerz und sehr großer Zorn" - kamen nicht von einem Diözesanbischof, sondern von Kurienkardinal Walter Kasper. Ja, eine "Kultur aufmerksamen Hinschauens", wie Zollitsch sie verlangt, die hat wohl gefehlt. Zollitsch muss sich fragen lassen, ob es - über eine auch in säkularen Internaten wie der Odenwaldschule mögliche kriminelle Subkultur hinaus - spezielle "katholische" Faktoren gab, die das Unfassbare begünstigten. Die Überbetonung, ja Mystifizierung sexueller Fragen etwa. Massiv missbraucht wurde zuweilen das Bußsakrament, zu dessen Empfang bei bestimmten Priester-Pädagogen Kinder verpflichtet wurden. Zu alledem sagt Zollitsch kaum etwas. Das mag daran liegen, dass sich die Kirche - mit Recht - gegen Versuche wehrt, Missbrauch zum katholischen Spezialthema zu machen. Ebenso deplatziert wie manche Ideen der Bundesjustizministerin (der Dame, die einst ihren Hund "Dr. Martin Luther" nannte) ist die Forderung aus Bayern nach einem Anzeigezwang. Der besteht mit Rücksicht auf die Opfer auch im staatlichen Recht nicht. Zudem gilt das Beichtgeheimnis. So unfair sich mancher Politiker profiliert: Die katholische Kirche hat sich den Druck selbst zuzuschreiben, unter dem sie steht. Sie begegnet dem am besten, wenn sie ohne Tabu prüft, was wohl die bösen Taten ermöglicht hat. Und wenn ihre Amtsträger versuchen, persönlich auf die Opfer zuzugehen. Auf Missbrauchsopfer ebenso wie auf jene Ex-Domspatzen, die unter anderem der Bruder des heutigen Papstes mit Ohrfeigen zu ihrer Leistung trieb.
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