Keine Straflosigkeit auf Kosten der Wahrheit und der Gerechtigkeit
Bonn/London (ots)
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Algerien
"Ein dauerhafter Frieden in Algerien kann nicht zustande kommen, wenn Wahrheit und Gerechtigkeit geopfert werden", zu diesem Ergebnis kommt die Menschenrechtsorganisation amnesty international in dem heute vorgelegten Bericht mit dem Titel "Algeria - Truth and justice obscured by the shadow of impunity". "Nur wenn die Wahrheit über alle Menschenrechtsverstöße des vergangenen Jahrzehnts durch unabhängige und unparteiische Untersuchungen offengelegt und sicher gestellt wird, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden, kann das Vertrauen in das algerische Rechtssystem wieder hergestellt werden", führt amnesty international in dem Bericht aus. Der seit 1992 andauernde Konflikt hat zehntausende Tote gefordert, Tausende sind "verschwunden", nachdem sie von Sicherheitskräften festgenommen wurden, und Hunderttausende wurden verletzt oder verloren Angehörige.
"Die Opfer und ihre Familien haben ein Recht auf Wahrheit und Gerechtigkeit", erklärt Uwe Altrock, Algerien-Spezialist der deutschen Sektion von amnesty international. Die algerischen Behörden wollen dieses dunkle Kapitel der jüngsten Vergangenheit schließen. Sie haben es bisher aber versäumt, das Problem der Straflosigkeit mit konkreten und wirkungsvollen Schritten anzugehen oder auch nur unabhängige und unparteiische Untersuchungen der Menschenrechtsverstöße und Morde des vergangenen Jahrzehnts durchzuführen. "Die tiefen Verletzungen durch die algerische Tragödie der vergangenen zehn Jahre können nicht geheilt werden, indem man einfach einen Schlußstrich darunter zieht", betont Uwe Altrock.
Bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr bereist eine Delegation von amnesty international das nordafrikanische Land. Die Delegation, die bis zum 19. November im Land bleibt, will die Gespräche mit der Regierung in Algier fortsetzen und vor Ort detaillierte Informationen sammeln. amnesty international betrachtet die Amnestie des Präsidenten und das "Gesetz zur zivilen Eintracht" mit Skepsis. Gnadenerlasse, die dazu dienen, die Wahrheit und die juristische Aufarbeitung von Menschenrechtsverstößen zu verhindern, lehnt amnesty international ab.
"Es ist eine paradoxe Situation, wenn Leute, die in unfairen Verfahren zu langjährigen Haftstrafen verurteilt wurden, weiterhin im Gefängnis sind, während andere, die jahrelang aktive Mitglieder oder sogar Anführer bewaffneter Gruppen waren, begnadigt werden, kaum dass sie sich den Behörden gestellt haben", so Uwe Altrock. Die Menschenrechtsorganisation teilt die Befürchtung der Opfer und ihrer Familien, dass ihren Forderungen nach Wahrheit und Gerechtigkeit keine Beachtung geschenkt wird.
amnesty international fordert daher die algerische Regierung auf: - Dringend alle Morde, Massaker, Fälle von "Verschwindenlassen" und Folter, Entführungen und anderen schweren Menschenrechtsverstöße, die von Sicherheitskräften, staatlichen Milizen und bewaffneten Gruppen verübt wurden, zu untersuchen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. - Die weitgehende Amnestie zurückzunehmen, die entgegen internationalem Recht auch für Fälle von schwersten Menschenrechtsverstößen gilt. - Sicherzustellen, dass diejenigen vor Gericht gestellt werden, die Mitglieder bewaffneter Gruppen waren und sich unter dem "Gesetz zur zivilen Eintracht" den Behörden gestellt haben, wenn sie für Menschenrechtsverstöße verantwortlich sind. - Konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um willkürliche Verhaftungen, geheime Haft, Folter, "Verschwindenlassen" und extralegale Hinrichtungen zu beenden. - Alle vom Staat bewaffneten Milizen aufzulösen und sicherzustellen, dass alle polizeilichen Aufgaben von angemessen ausgebildeten Kräften auf rechtsstaatlicher Grundlage ausgeübt werden.
amnesty international verurteilt alle Morde und schweren Menschenrechtsverstöße, die von bewaffneten Gruppen verübt wurden, und ruft diese Gruppen erneut auf, die Angriffe auf Zivilisten zu beenden.
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