Institut für ökologische Wirtschaftsforschung
Umwelt- und Sozialpolitik zusammendenken: Forschende fordern Transformationskabinett
Pressemitteilung des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) und der Open Society Foundations (OSF)
Umwelt- und Sozialpolitik zusammendenken: Forschende fordern Transformationskabinett
- Wie gelingt die ökologische Wende – sozial verträglich? Institut für ökologische Wirtschaftsforschung und Open Society Foundations empfehlen „Update“ für politische Strukturen, um Politik für den sozial-ökologischen Wandel zu erarbeiten
- Drei Schritte für die sozial gerechte Transformation: Bundesministerien müssen an einem Strang ziehen, Bürgerräte und Kommissionen nach gesellschaftlichen Kompromissen suchen, Sozial- und Umweltverbände langfristig kooperieren
- Diskussion der Vorschläge mit Bundestagsabgeordneten sowie DGB und SoVD am 7. September 2021, 18.00-19.30 in Online-Abendpanel
Berlin, 2. September 2021 – Dass Umwelt- und Klimaschutz sowie soziale Gerechtigkeit zwei Seiten einer Medaille sind und nur gemeinsam vorangebracht werden können, wird immer deutlicher. Um die nötigen substanziellen Schritte einzuläuten, brauche es neue institutionelle Strukturen, die die ressortübergreifende Zusammenarbeit insbesondere zwischen den Ressorts Umwelt und Soziales festigen, empfehlen das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) und die Open Society Foundations in einem heute veröffentlichten Politikbriefing. Sie raten der Politik, das Klimakabinett in ein umfassendes Transformationskabinett weiterzuentwickeln, das sich von wissenschaftlich begleiteten Bürgerräten und Kommissionen aus zivilgesellschaftlichen Organisationen beraten lässt. Gewerkschaften, Sozial-, Wohlfahrts- und Umweltverbände sollten zudem übergreifende Verständigungsprozesse auf den Weg bringen. So könne die Just Transition – ein sozial gerechter ökologischer Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft – gelingen.
Just Transition: Gesellschaft nachhaltig und gerecht umbauen
Seit einigen Jahren wächst in der Politik das Bewusstsein dafür, dass soziale und ökologische Fragen eng miteinander zusammenhängen: Bundesumweltministerin Svenja Schulze hat die „Just Transition“ zum Leitbild der Klimapolitik erklärt. „Diskutiert wird zum Beispiel, Einnahmen aus Ökosteuern so zurückzuzahlen, dass Ärmere besonders profitieren. Dies kann ein erster Ansatz sein“, sagt Ökonom Ulrich Petschow vom IÖW: „Es kommt aber darauf an, den ökologischen Fußabdruck des alltäglichen Lebens signifikant zu senken. Um diese Transformation gerecht zu gestalten, brauchen wir neue Infrastrukturen: ein Forum für Austauschprozesse zwischen ökologischen und sozialen Interessen.“ In ihrem Papier „Transformation? Ja, aber gerecht! Neue institutionelle Strukturen für eine Just Transition“ schlagen die Forschenden vom IÖW verschiedene Gremien und Strategien vor, um die Just Transition im institutionellen Gefüge Deutschlands zu verankern.
Bundesregierung muss Zusammenarbeit besser koordinieren
Umwelt, Finanzen, Wirtschaft, Verkehr, Bau und Landwirtschaft: Fünf Ministerien kamen 2019 im Klimakabinett zusammen, um ressortübergreifende Lösungen zu entwickeln. „Wir schlagen vor, das Klimakabinett zu einem Transformationskabinett mit weitreichenden Kompetenzen weiterzuentwickeln“, erklärt IÖW-Transformationswissenschaftler Florian Kern: „Der Staat muss integrierte und wirksame Konzepte erarbeiten, die Ökologie und Soziales verbinden. Und in so einem Transformationskabinett gehört dann etwa auch das Bundesarbeitsministerium auf jeden Fall an den Tisch, das am Klimakabinett bislang nicht beteiligt war.“
Dieses Transformationskabinett soll seine Entscheidungen nicht ‚top down‘ treffen, sondern Bürgerräte und Wissenschaftler/innen in die Entscheidungsvorbereitung mit einbeziehen sowie die vielfältigen Bottom-up-Aktivitäten stärken, insbesondere durch eine langfristige Förderung für die Zusammenarbeit von Gewerkschaften, Umwelt-, Sozial- und Wohlfahrtsverbänden. „Es braucht neue Strukturen, innerhalb derer die Selbstverständigung zwischen unterschiedlichen Akteuren langfristig verstetigt werden kann, etwa in einem ‚Forum Umwelt & Soziales‘. Auf diese Weise ist es möglich, Politikansätze gemeinschaftlich zu entwickeln“, so Petschow. „Diese Prozesse können wir nur gerecht gestalten, wenn die unterschiedlichen Interessen in die Entscheidungsvorbereitung eingebunden werden.“ An der Schnittstelle von Staat und Zivilgesellschaft sollten vermehrt Transformationskommissionen eingesetzt werden, um Strategien und Maßnahmen für einzelne Handlungsfelder zu erarbeiten. Anders als bei der Kohlekommission in 2018/19 müssen die Beteiligungsverfahren jedoch weg vom Kompromiss des kleinsten gemeinsamen Nenners hin zu zukunftsfähigen Lösungen kommen.
Zivilgesellschaft braucht neue Förderinstrumente
In einem dreijährigen Projekt untersuchten die Forschenden auch, wie Gewerkschaften, Sozial- und Umweltverbände besser zusammenarbeiten können. Obwohl die Zahl gemeinsamer Aktionen und Kampagnen wächst – jüngst starteten etwa der Umweltverband BUND und der Paritätische Wohlfahrtsverband eine Kooperation – fehlen noch langfristig stabile, übergreifende Austauschstrukturen. „Wenn es zum Zusammendenken von sozialer Gerechtigkeit und effektivem Klimaschutz kommt, scheinen die Bürgerinnen und Bürger der Politik voraus zu sein: Der Bürgerrat Klima verabschiedete einen solchen Leitsatz mit 97 Prozent Übereinstimmung. Auch aus der Zivilgesellschaft kommen immer mehr konkrete Vorschläge zu dieser Problematik. Es bedarf jetzt an Foren und Formen, in denen diese Ansätze zusammengeführt und mit der Politik diskutiert, weiterentwickelt und umgesetzt werden können“, fordert Dr. Finn Heinrich von den Open Society Foundations.
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
Download: IÖW-Impulse: Transformation? Ja, aber gerecht! Neue institutionelle Strukturen für eine Just Transition (PDF, 0,5 MB)
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
Hinweis zur Veranstaltung:
Just Transition: Neue institutionelle Arrangements braucht das Land
7. September 2021, 18:00–19:30 Uhr | Abendpanel
Veranstalter: Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) in Kooperation mit Open Society Foundations (OSF)
Anmeldung für Presse kurzfristig möglich per E-Mail an Kim Jana Stumpf: Kim.Stumpf@ioew.de
Auf dem Abendpanel diskutieren unter Moderation von ► Christiane Grefe (DIE ZEIT):
► Ulrich Petschow, Institut für ökologische Wirtschaftsforschung
► Fabian Müller-Zetzsche, Sozialverband Deutschland (SoVD) ► Martin Stuber, Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB)
► Lorenz Gösta Beutin, Sprecher für Energie- und Klimapolitik (DIE LINKE) ► Reinhard Houben, Sprecher für Wirtschaft und Energie (FDP) ► Sylvia Kotting-Uhl, Vorsitzende Umweltausschuss (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ► Peter Aumer (CSU), Mitglied Ausschuss Arbeit und Soziales (angefragt) ► Carsten Träger, Sprecher für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (SPD)
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
Pressegrafik: Download (jpg, 0,8 MB)
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
Fachlicher Kontakt:
Ulrich Petschow ist Senior-Volkswirt am Institut für ökologische Wirtschaftsforschung. Von 1992 bis 2018 leitete er das Forschungsfeld Umweltökonomie und Umweltpolitik am IÖW. Seine Forschungsschwerpunkte sind Innovations- und Technikanalysen, Ökonomische Instrumente und neue Steuerungsformen, Transformationsstrategien und regionale Wirtschaftspolitik.
Ulrich Petschow
Telefon: +49–30–884 594-23
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
Pressekontakt:
Richard Harnisch Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) Tel.: +49 30/884594-16 kommunikation@ioew.de
Das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) ist ein führendes wissenschaftliches Institut auf dem Gebiet der praxisorientierten Nachhaltigkeitsforschung. Rund 65 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erarbeiten Strategien und Handlungsansätze für ein zukunftsfähiges Wirtschaften – für eine Ökonomie, die ein gutes Leben ermöglicht und die natürlichen Grundlagen erhält. Das Institut arbeitet gemeinnützig und ohne öffentliche Grundförderung. Das IÖW ist Mitglied im „Ecological Research Network“ (Ecornet), dem Netzwerk der außeruniversitären, gemeinnützigen Umwelt- und Nachhaltigkeitsforschungsinstitute in Deutschland. www.ioew.de
Aktuelles aus dem IÖW: twitter.com/ioew_de | www.ioew.de/newsletter