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Pressemitteilung
Interview mit dem Schauspieler und Regisseur Christoph Waltz - Regiedebüt im ZDF
Zum ZDF-Fernsehfilm der Woche "Wenn man sich traut" (Montag, 28. Februar 2000, 20.15 Uhr)

Mainz (ots)

Liebesgeschichten und Heiratssachen
Herr Waltz, was hat Sie als Schauspieler denn nach so vielen
Filmen und ungewöhnlichen Serien, etwa der "Roy-Black-Story" oder der
Serie "Der Pflaumenzug", dazu bewogen, nun selbst Regie zu führen?
Wollen Sie sich selbst beweisen, dass Sie es können, oder hatten Sie
womöglich sogar schlechte Erfahrungen mit Ihren bisherigen
Regisseuren gemacht?
Weder noch. Ich arbeite seit vielen Jahren daran, selbst Regie zu
führen. Mich interessierte einfach das große Ganze am Filmedrehen:
das Visuelle, die Technik, die Dramaturgie, die Kamera, der Schnitt.
Bisher hatte ich damit immer nur von einer Seite her zu tun. Also
habe ich Kurse an Filmschulen belegt, mich damit um technische und
Dramaturgie-Kenntnisse bemüht. Was die Regisseure anbelangt, mit
denen ich bisher gearbeitet habe, kann ich sagen, dass manche sehr
gut, andere wieder sehr schlecht gewesen sind. Ich habe durchaus auch
schlechte Erfahrungen gemacht, habe ahnungslose, desinteressierte,
arrogante, herablassende Menschen erlebt. Die waren nur an ihrer
eigenen Person und an ihrer Publicity interessiert. Sie nahmen die
eigene Person zu wichtig und das, was sie taten, nicht ernst genug.
Klingt nicht gerade optimistisch.
Es gibt natürlich auch Regisseure, nicht nur im Film, sondern auch
beim Fernsehen, von denen man wahnsinnig viel lernen kann. Aber es
werden immer weniger. Das ist insofern besonders schade, weil es
solche Möglichkeiten, wie sie der deutsche Markt gegenwärtig bietet,
auf der Welt kein zweites Mal mehr geben wird. Doch leider ist das
Niveau im freien Fall begriffen.
Dann sind Sie wohl die Ausnahme, welche die Regel bestätigt. Ihr
Film ist eine eher traurige Komödie. Zwei Menschen verlieben sich
Knall auf Fall, wollen heiraten und bestellen dafür auch gleich einen
Termin. Doch dann scheitert die Beziehung bereits, noch bevor alles
so richtig los gehen kann. Das geplante Hochzeitsfest wird eine große
Trennungsparty, es gibt kein Happy End.
Dass man Filme wie diesen noch machen kann, also eine Komödie, die
nicht zum lauten Lachen oder zum Schenkelklopfen animieren will, ist
schon etwas Besonderes, weil sich das der behaupteten Kommerzialität
im deutschen Fernsehen einigermaßen entzieht. Dass das noch möglich
ist, finde ich schon bemerkenswert. Der Film ist nun mal nicht auf
Kracher und Effekte angelegt, und meine Figuren hängen Gedanken nach,
die in unserem Fernsehalltag ziemlich ungewöhnlich sind.
Trotzdem: Ihr Film ist eine Komödie, die dem etwas abgegriffenen
Genre der "Beziehungskisten" zugeordnet werden kann, wenn auch ins
Melancholische, Absurde überdreht.
Ich schätze Komödien eben sehr. Aus Erfahrung weiß ich, dass sie
das Allerschwierigste sind. Aber ich finde, dass Komödien eine
wunderbare Tonart sind, um sich mit unserem Dasein auseinander zu
setzen. Das ist dann weit entfernt von der Klamotte. Man sieht die
Welt mit einem ganz bestimmten Blick aus den Augenwinkeln heraus.
Offensichtlich pflegen Sie, ganz wie als Schauspieler, das
ironisch gebrochene Spiel, den doppelten Boden. Gibt es denn auch
ganz bestimmte Vorbilder für Sie? Sie kommen immerhin auch aus der
Theaterstadt Wien, wo Nestroy zu Hause war.
Interessant, dass Sie das sagen. Der Arbeitstitel des Films,
"Liebesgeschichte und Heiratssachen", ist der Titel eines
Nestroy-Stücks. Ich habe den Titel einmal ins Gespräch geworfen, und
wir haben ihn dann gleich genommen. Ich habe dann gesagt, dass er von
Nestroy stammt, aber die anderen sagten: "Das weiß kein Mensch". Wir
hätten den Film also vielleicht auch "Kabale und Liebe" nennen
können, oder "Wir sind noch einmal davon gekommen". Inzwischen habe
ich aber eine Kellnerin gefragt, was sie denn von dem Titel halte.
Sie hat gesagt, dass sie sich so was nie anschauen würde. Natürlich
schätze ich Nestroy, aber auch Karl Valentin, weil bei beiden der
Humor und die Komik aus Untiefen kommt und man nie so richtig weiß:
Soll man erschrocken oder belustigt sein?
Und unter den Filmregisseuren, wen schätzen Sie da?
Bei den Dreharbeiten war dauernd von Woody Allen die Rede.
Natürlich bewundere ich, um hoch zu greifen, Billy Wilder. Aber auch
Kurt Hoffmann, Wolfgang Staudte und andere haben in den 50er und 60er
Jahren tolle Komödien gemacht. Von ihnen spricht leider nur keiner
mehr. Aber ich selbst möchte mich weder als Schauspieler noch als
Regisseur festlegen. Das Festlegen ist eine Sache, die aus dem Zwang,
sich vermarkten zu müssen kommt. Glücklicherweise arbeite ich in
einer Branche, in der man ganz einfach erzählen kann und sich selbst
eben nicht zu definieren braucht.
Sie sind als Koautor neben Thommie Bayer, der zuletzt mit "Andrea
und Marie" mit Hannelore Elsner und Iris Berben erfolgreich war,
genannt. Wie groß war denn Ihr Anteil am Buch?
Ich habe ab der dritten Fassung so intensiv mitgearbeitet, dass
der Begriff Koautor wohl richtig ist. Es hat insgesamt neun
Drehbuchfassungen gegeben, was kein Negativum ist. Drehbücher
entstehen durchs Umschreiben. Auch als Schauspieler interessiert mich
eher ein Drehbuch mit möglichst vielen Fassungen. Das Drehbuch, das
auf den ersten Wurf gelungen ist, das möchte ich sehen.
Stammt die Idee des Goldfischs, den im Film Julia Jäger als
Glücksbringer Felix Eitner schenkt, von Ihnen?
Ja, das ist von mir, und auch, dass der gewachsene Goldfisch am
Ende ins Klavier von Julia Jäger, die hier eine ehemalige
Klavierspielerin ist, eingebaut wird. Es finden sich da zwei
Temperamente, die unvereinbar und gegensätzlich erscheinen.
Haben Sie denn auch schon eigene Drehbücher in der Schublade?
Keine fertigen Drehbücher, aber Ideen. Denn, schließlich: Worauf
soll ich warten, worauf? Leider werden Autoren gegenwärtig vermarktet
wie Immobilien: Welche Gegend bebauen wir, was machen wir schick?
Trotzdem: Ich schreibe nicht. Denn je mehr ich darüber weiß, desto
mehr ist mir klar. Das Schreiben ist ein Beruf, um den muss sich das
ganze Leben drehen.
Teilen Sie als Christoph Walz denn das eher skeptische Fazit, das
Ihre Trennungs-Komödie bietet?
Ich bin fast 20 Jahre verheiratet. Da sieht man die Welt anders
als einer, der im Sommer heiraten will. Nein, es gibt im Film zwei
Gesichtspunkte, die eben nicht wirklich miteinander vereinbar sind:
Sie stellt sich ein geregeltes, planbares Leben vor, und er will dem
entgehen und weiterhin alle Möglichkeiten behalten. Tatsache ist,
dass das alles nicht planbar ist, dass man keine Konstante erzwingen
kann. Will man das, so ist alles von Beginn an gescheitert. Dann
gibt's ein Desaster.
Was Ihre Arbeit als Regisseur anbelangt: Haben Sie mit Ihren
Schauspieler-Kollegen besonders intensiv geprobt oder gar beim Drehen
improvisiert?
Ich habe mich mit den Hauptdarstellern, mit Julia Jäger und Felix
Eitner, zweimal getroffen. Dann haben wir losgelegt. Ich habe mich
auf das Drehbuch verlassen. Kein Wort wurde improvisiert oder
hinzugefügt. Wir haben uns dem Moment überlassen und geschaut, dass
der ein Eigenleben kriegt, wollten keine Slapstick- oder überdrehte
Screwball-Komödie machen. Im Ganzen habe ich aber versucht, auf ein
gewisses Tempo zu achten und Bedeutungspausen zu vermeiden, getreu
dem Motto Voltaires: Man darf alles, nur fad sein darf man nicht.
Keine Improvisationen?
Erstens steht alles so da, weil es der Autor so will. Zweitens ist
fürs Improvisieren doch gar keine Zeit, wenn 40 Leute warten, wenn
das Licht wegzugehen droht, eine Hebebühne für 2000 Mark täglich
gemietet ist.
Sie hatten also alles im Griff?
Wir haben's einfach gut geplant. Es ist wenig daneben gegangen,
das hat mich selber überrascht. Deswegen will ich aber jetzt nicht
behaupten, dass der deutschen Filmlandschaft genau dieser Film
gefehlt hätte. Er ist ganz einfach meine Sicht auf die Dinge.
Mit Ihrem Kameramann Peter Döttling arbeiteten Sie als
Schauspieler mehrfach zusammen, unter anderem in Vivian Naefes "Mann
sucht Frau".
Wir kennen uns gut von der Arbeit her, sind uns sympathisch. Aber
die Arbeit ist wie mit jedem anderen Kameramann. Wir haben auf
spektakuläre Dinge wie Aufsichten oder Rundfahrten verzichtet. Solche
Dinge erzählen doch nur, dass Kameraleute schlau sein wollen. Wenn
wir mit der zur Zeit so beliebten Handkamera gearbeitet haben, dann
so, dass man es gar nicht merkt. Es gibt nur ein leicht unruhiges
Bild.
Haben Sie schon weitere Regie-Pläne im Kopf?
Nein. - "Life happens, while you are busy making other plans", hat
bekanntlich John Lennon gesagt. Ich lasse die Dinge auf mich zu
kommen. Wie ich es auch plane, es würde in jedem Fall anders kommen.
Fotos (von Christoph Waltz) erhalten Sie unter ZDF-Bilderdienst,
Telefon: 06131 / 70 61 00 oder unter
http//:bereitstellung.zdf.de/versand/waltz.

Rückfragen bitte an:

ZDF Pressestelle
06131 / 70-2120 und -2121

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