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Soziologe Michael Hartmann im "ZDF-Mittagsmagazin": "Angst vor sozialem Absturz bis weit in die Mittelschichten"

Mainz (ots)

Nach fünf Jahren Agenda 2010 zieht Michael Hartmann,
Soziologe an der Technischen Universität Darmstadt, eine negative 
Bilanz: "Aus meiner Sicht ist die erste Konsequenz, dass die Angst 
vor dem sozialen Absturz heute bis weit in die Mittelschichten 
hineinreicht - und das zu Recht", sagte Hartmann im 
"ZDF-Mittagsmagazin" am Donnerstag, 13. März 2008.
"Wenn man früher 30 bis 35 Jahre gearbeitet hatte, wurde man, wenn
man arbeitslos wurde, zumindest dadurch abgefedert, dass man nach 
Arbeitslosengeld Arbeitslosenhilfe gekriegt hat", erklärte Hartmann. 
Das habe bedeutet, dass weder Immobilien noch die Lebensversicherung 
ernsthaft gefährdet waren. "Das ist heute anders. Man kommt nach 
anderthalb Jahren in Hartz IV - und dann wird die Zukunftssicherung 
innerhalb kürzester Zeit praktisch komplett aufgefressen", sagte 
Hartmann. Dass die Angst vor dem sozialen Absturz sehr verbreitet 
sei, zeigten auch Umfragen.
"Zweitens haben wir einen staatlich subventionierten 
Billiglohnbereich bekommen", betonte Hartmann. Vor 20 Jahren habe man
nur in den USA von den sogenannten "working poor", also den 
"arbeitenden Armen" gesprochen. "Nun haben wir dasselbe. Es gibt 
zunehmend Bereiche im Dienstleistungssektor, wo Unternehmen so 
geringe Löhne zahlen, dass die durch Hartz IV aufgestockt werden 
müssen. Und weil jedes Unternehmen das weiß, gibt es eine weitere 
Drift nach unten."
Dass ein Drittel der neuen Arbeitsplätze auf Hartz IV zurückgehe, 
glaubt Hartmann nicht. Das seien seiner Ansicht nach grobe 
Schätzungen. Er sei gespannt, was die gleichen Experten in drei 
Jahren sagten, wenn nach dem Aufschwung ein Abschwung komme und es 
viereinhalb Millionen Arbeitslose gebe. "Die Effekte zeigen sich ja 
nicht im Auf-, sondern im Abschwung", sagte Hartmann.
Seiner Meinung nach liegen die Ursachen eher in der großen 
Nachfrage der Schwellenländer China und Indien nach Bereichen, in 
denen die Deutschen traditionell stark seien: dem Maschinenbau und 
der Investitionsgüterindustrie. "Die haben einen ungeheuren 
Nachfrageschub erhalten und das ist für mindestens 80 Prozent der 
neuen Arbeitsplätze verantwortlich".
Für den Umbau von Sozialsystemen gebe es im europäischen Vergleich
unterschiedliche Ansätze, sagte Hartmann. "In Deutschland sind sie 
sicherlich am radikalsten erfolgt." In anderen Ländern sei man damit 
sehr viel behutsamer umgegangen. In Deutschland müsse zudem noch 
effektiver weitergebildet werden. "Das Fordern wurde  sehr schnell 
eingeführt, das Fördern nicht", so der Soziologe.

Pressekontakt:

ZDF-Pressestelle

Telefon: 06131 / 70 - 2120
Telefon: 06131 / 70 - 2121

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