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Sonntag, 24. Januar 2010, 0:20 Uhr, nachtstudio

Mainz (ots)

Sonntag, 24. Januar 2010, 0.20 Uhr
nachtstudio
Der Mensch ist eine Fehlkonstruktion
mit Volker Panzer
Exklusiv aus Paris: Anselm Kiefer im Gespräch mit Volker Panzer
In den achtziger Jahren kürte ihn das Time Magazine zum wichtigsten 
Künstler seiner Zeit: Vor allem wegen der Heftigkeit seiner 
Provokationen und seines einzigartig machtvollen Umgangs mit der 
künstlerischen Leere nach Ausschwitz - "zum Bersten gefüllt mit 
Geschichte", wie er es ausdrückt. Trotzdem blieb er immer einer der 
umstrittensten Maler und Bildhauer der Gegenwart. Anselm Kiefer, der 
1945 geborene Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 
2008, steht Volker Panzer in Paris über eine Stunde lang Rede und 
Antwort.
Eigentlich wäre er gerne Schriftsteller geworden. Gigantische 
Ansammlungen von Bleibüchern wie "20 Jahre Einsamkeit" (1991-2000) 
bezeugen, dass das Büchermachen grundlegender Bestandteil seines 
Gesamtkunstwerks ist. Doch auch die Oper reizt ihn: Am 7. Juli 2009 
feierte  "Am Anfang" an der Pariser Opéra Bastille Premiere - als ein
mit Klangteppich unterlegtes, bewegtes Kiefer-Bild und 
musiktheatralische Umsetzung der kieferschen Geschichtsphilosophie - 
so das Presseecho.
Anselm Kiefer ist ein Geschichtsversessener, der sich als erster 
deutscher Künstler nach dem Zweiten Weltkrieg auf das verminte 
Gelände der Nazisymbolik begab. Wie könne man überhaupt noch ein 
deutscher Künstler sein nach dem Holocaust und der Vereinnahmung 
national kultureller und künstlerischer Tradition durch die 
NS-Ideologie, fragte sich Kiefer. Entsprechend ist seine 
Geschichtsphilosophie gegossen in monumentale Gemälde, die er mit 
Titeln wie Deutsche Geisteshelden oder Hermannsschlacht versieht - 
was ihm nicht selten den Vorwurf künstlerischen Deutschtums 
einbrachte. Typisch für ihn: In fast allen seinen Bildern findet man 
Schriftzüge und Namen von Menschen, Sagengestalten oder 
geschichtsträchtigen Orten. Anfang der 80er Jahre wurde der Verlust 
von Sinn, die Unmöglichkeit, Zugang zu ihm zu finden, zweites 
Hauptthema neben den Mythen vieler Kulturen - den 
christlich-jüdischen, ägyptischen, orientalischen wie germanischen 
und nordischen.
Getragen von nahezu romantisch-poetischer Melancholie, einer von 
Grund auf künstlerischen Weltsicht, ist Kiefers Kosmos eine Welt 
gigantischer Materialschlachten: Blei, Teer, Draht, Scherben, Stroh 
oder Asche säumen seine Flucht aus der Gegenwart in die Geschichte, 
in die zeitlose Natur, ins Reich der Pflanzen und Tiere - immer 
mittendrin in einer Welt der Vernichtung und des Untergangs, die für 
ihn erst in der Kunst ihren Sinn findet und im Übersinnlichen 
christlicher Mystik und jüdischer Kabbala eine eventuelle Aussöhnung 
mit der Absurdität menschlicher Existenz.

Pressekontakt:

ZDF-Pressestelle
Telefon: 06131 / 70 - 2120
Telefon: 06131 / 70 - 2121

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