ZDF-Magazin "Frontal 21" zum VW-Abgas-Skandal: Öffentlichkeit womöglich zu spät informiert
Niedersächsische Staatskanzlei kritisiert in internem Schreiben VW-Konzern (FOTO)
Mainz (ots)
Die Staatskanzlei des niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil (SPD) kritisiert, dass der VW-Konzern im Abgas-Skandal Aufsichtsrat, Aktionäre und die Öffentlichkeit womöglich zu spät informiert habe. Das geht aus zwei Dokumenten der Staatskanzlei hervor, die mit "streng vertraulich" gekennzeichnet sind und dem ZDF-Magazin "Frontal 21" vorliegen (Sendung am Dienstag, 10. November 2015, 21.20 Uhr). Dabei handelt es sich um Auszüge aus der zwischenzeitlich verschwundenen Handakte der niedersächsischen Staatskanzlei zum VW-Skandal. Mittlerweile ist die Akte wieder aufgetaucht.
Bei der Frage, ob VW die Öffentlichkeit rechtzeitig informiert hat, geht es für den Konzern um Schadenersatzansprüche in Millionenhöhe. Aktionäre, Pensionsfonds und Versorgungskassen, deren Vermögen unter dem Kurseinbruch der VW-Aktie gelitten haben, könnten gegen den Autokonzern vor Gericht ziehen. Anleger haben bereits erste Klagen eingereicht und werfen VW vor, die Märkte getäuscht zu haben.
Der Konzern hatte am 3. September 2015 Manipulationen gegenüber der amerikanischen Umweltbehörde eingeräumt, den Kapitalmarkt aber erst knapp zwei Wochen später, nämlich am 22.September 2015, darüber informiert. "Theoretisch wäre es hier möglich gewesen, bereits am 3. September die Tragweite des Vorwurfs zu erkennen", heißt es in einem internen Schreiben der Staatskanzlei an Ministerpräsident Weil. "Es wird zu klären sein, warum VW die Tragweite des Eingeständnisses vom 3. September 2015 so einschätzte, dass sie nicht von erheblicher Bedeutung sind und somit keine ad-hoc-Mitteilung nach § 15 WpHG (Wertpapierhandelsgesetz, die Redaktion) veröffentlicht wurde."
In den turnusmäßigen Aufsichtsratssitzungen habe der Vorstand regelmäßig über das US-Geschäft von VW informiert, so heißt es in einem der Dokumente. Die Abgasproblematik sei aber nicht angesprochen worden. Auch nach dem Manipulationseingeständnis vom 3. September 2015 gegenüber den US-Behörden habe der VW-Vorstand unter seinem damaligen Vorsitzenden Martin Winterkorn den Aufsichtsrat nicht informiert, kritisiert die Staatskanzlei in dem vertraulichen Dokument: "Geht man davon aus, dass der Vorstand der Volkswagen AG spätestens am 3. September Kenntnis hatte, wäre eine unverzügliche Information zu diesem Zeitpunkt zu erwarten gewesen."
In dem Aufsichtsgremium sitzen als Vertreter des Landes Niedersachsen Ministerpräsident Weil und Wirtschaftsminister Olaf Lies (beide SPD). Ministerpräsident Weil hatte am 13. Oktober vor dem Niedersächsischen Landtag zum VW-Abgasskandal eingestanden, er habe am 18. bzw. 19 September "erstmals von diesen Vorgängen Kenntnis erlangt - und zwar aus den Medien". Derzeit klären konzerninterne Ermittler und eine vom Aufsichtsrat beauftragte Anwaltskanzlei, wer zu welchem Zeitpunkt über die Vorgänge rund um den Abgas-Skandal informiert war. Auf Anfrage teilte VW mit, "dass derzeit keine weiteren Aussagen dazu getroffen werden können". Man stecke mitten in der Aufklärung. Die niedersächsische Staatskanzlei hat sich trotz mehrfacher Nachfrage bis zum späten Nachmittag zum Vorgang nicht geäußert.
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