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Dienstag, 14. Juni 2005, 20.15 Uhr, Die Heimkehr der Zehntausend
Das Schicksal der Gefangenen

Mainz (ots)

Dienstag, 14. Juni 2005, 20.15 Uhr
Die Heimkehr der Zehntausend
Das Schicksal der Gefangenen
Film von Stefan Brauburger
Gesichter der Zehntausend
Die Bilder der Wochenschau wurden zur Legende: Menschen, die zehn
Jahre und mehr von einander getrennt waren, die voller Sehnsucht auf
diesen Moment gewartet hatten, liegen sich in den Armen, unter
Tränen der Freude. Der Choral "Nun danket alle Gott" erklingt. Es
sind die Filmaufnahmen von der Heimkehr der Zehntausend, vor fünfzig
Jahren. Im Oktober 1955 begann die Rückkehr der letzten deutschen
Kriegsgefangenen aus sowjetischen Lagern. Nach einem zähen
Politpoker hatte Bundeskanzler Adenauer in Moskau ihre Freilassung
erwirkt. Die Bilder von dem Ereignis sind Ikonen der jungen
Bundesrepublik, und die Geschichte ist schon oft erzählt worden.
Doch gibt es immer wieder Schicksale, über die noch nichts bekannt
ist.
Dass auch Hunderttausende deutsche Zivilisten vor und
nach Kriegsende in die Sowjetunion verschleppt worden waren -
darunter viele Frauen -, wurde in der Öffentlichkeit kaum
wahrgenommen. In der ZDF-Dokumentation schildert erstmals eine Frau,
die mit den Kriegsgefangenen 1955 heimkehrte, ihre Erlebnisse -
Waltraud Nicklaus aus Königsberg. Sie hatte eine Odyssee in der
Sowjetunion hinter sich, schrieb persönlich an den Kreml, als sie
erfuhr, dass es in Moskau zu Verhandlungen über die Gefangenen kommen
würde. Im Oktober 1955 traf sie mit dem ersten Transport der
Spätheimkehrer in Friedland ein, "das, was uns rettete, war der Wille
zu leben, wir wollten neu anfangen - der Empfang war
unbeschreiblich".
Unter den Heimkehrern befanden sich auch Soldaten und SS-Männer, die
an Kriegsverbrechen oder am Morden in den Konzentrationslagern
beteiligt waren, auch zwei berüchtigte Aufseher aus dem KZ
Sachsenhausen, Gustav Sorge (genannt "Eiserner Gustav"), und Wilhelm
Schubert (genannt "Pistolen-Schubert"). 1955 wurden sie als "Nicht-
Amnestierte" mit den anderen Gefangenen in die Bundesrepublik
überstellt. "Auch diese ’Heimkehrer’ wurden mit Blumen empfangen",
sagt Karl Stenzel, Überlebender des KZ Sachsenhausen, "das war
empörend". Anfang 1959 verurteilte das Bonner Landgericht Sorge und
Schubert zu lebenslangen Freiheitsstrafen. "Diese Männer konnten sie
nicht so ohne Weiteres laufen lassen", sagt Stenzel, "aber wo waren
die anderen Täter? Wo sind die geblieben? Die durften nach Hause
gehen".
Zwei Jahre vor der Heimkehr der Zehntausend gab es eine Rückkehr der
Zwölftausend. Nach Stalins Tod kündigte der Kreml unter Nikita
Chruschtschow eine Amnestie an. Am 17. Juni 1953 sollte Herbert
Haack seine Heimreise aus der Sowjetunion antreten. Doch dann
wurden im Lager plötzlich die Wachen verstärkt. "Die Abfahrt wurde
abgesagt und es hieß, ’in Deutschland herrscht Krieg’". Nach der
Niederschlagung des Volksaufstandes in der DDR durch sowjetische
Panzer brauchte das Ulbricht-Regime jedoch einen Prestige-Erfolg.
Moskau stimmte der Freilassung von 12.000 Gefangenen zu. Herbert
Haack kehrte zurück – in die DDR: "Es war nicht erwünscht zu
berichten, was da in Gefangenschaft geschehen war."
Die Glocken des Willkommens im Durchgangslager Friedland kündeten
von der Heimkehr in die Freiheit. Doch viele Mütter, Frauen, Kinder
warteten vergebens auf ihre Söhne, Männer, Väter. Viele Heimkehrer
sahen sich mit einer fremden Welt konfrontiert, die nicht mehr die
ihre war. Andere, wie Waltraud Nicklaus aus Ostpreußen, hatten ihre
Heimat verloren: "Wir waren entwurzelt, wo war das Grab der Eltern,
wo waren die Wälder der Kindheit? Ich bin hier nie wirklich
angekommen." Selten lagen Freude und Leid so nah beieinander. Und
doch zählt die Heimkehr der Zehntausend zu den Sternstunden der
jungen Bundesrepublik Deutschland.

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