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Dienstag, 6. Dezember 2005, 22.15 Uhr, 37°
Waisenkinder

Mainz (ots)

Achtung – Geänderten Text beachten!!!!!!
Dienstag, 6. Dezember 2005, 22.15 Uhr
37°
Waisenkinder
Wenn Eltern zu früh sterben
"Ich bin nicht so stark, wie ihr glaubt". Stephanie aus Berlin kann
ihre Tränen nicht mehr zurückhalten. Vor knapp zwei Jahren hat die
Studentin ihre Mutter verloren. Gehirntumor, 42 Jahre alt. Der Vater
starb kurz zuvor. Seit dieser Zeit kämpft sie, um wieder zu
funktionieren. Monate verbrachte sie ausschließlich in der Wohnung.
Alkohol und Drogen wurden ihr alleiniger Begleiter. Der Verlust der
Eltern ist für Kinder und junge Menschen ein traumatischer Schock.
Je nach Alter und Persönlichkeit reagieren sie mit Hilflosigkeit,
Trauer, Wut und Rückzug. "Da ist ein totales Loch, es ist einfach
alles unwichtig." Stephanie sucht Hilfe beim Psychologen und
scheitert. "Ich sollte Bäume malen", resümiert sie. Am Ende fehlte
ihr selbst die Kraft aus dem Haus zu gehen. Das was Kinder und
Jugendliche am nötigsten brauchen, das Gefühl, jemandem wichtig zu
sein, einfach weil es einen gibt - es ist mit einem Schlag
dahin. "Ich habe bis heute noch nicht um meine beiden Eltern trauern
können", meint die junge Rike aus Kiel. Nach dem Herztod ihres
Vaters, kam die damals 13-Jährige zu einer Tante. Ihre Mutter war
zuvor an Brustkrebs gestorben. Weil in der Pflegefamilie über den Tod
der Eltern nicht gesprochen wurde, folgten Jahre der inneren
Immigration. Angst vor einer drohenden Abschiebung ins Kinderheim
dominierte lange Zeit ihr Leben. Bis heute kämpft die 23-Jährige mit
dem Gefühl, keine Heimat zu haben. Der Kontakt zu einem Pferd half
der Jurastudentin damals zu überleben. Rike versuchte, zu
"funktionieren", perfekt, unauffällig, anpassungsfähig zu sein, und
unempfindlich zu werden gegen mögliche weitere Schicksalsschläge –
nur, um "nie wieder in eine so hilfsbedürftige Situation zu kommen".
– Heute weiß sie: diese "Stärke", die überleben half, war auch ein
Selbstbetrug. Ein neuer Aufbruch steht bevor, nach Außen wie nach
Innen. Als wäre es noch nicht genug, türmen sich bei Stephanie die
Folgeprobleme. Weil ihre Eltern nur Schulden hinterlassen haben,
spitzt sich auch ihre finanzielle Situation dramatisch zu. Um die
stockenden Zahlungen der Ämter zu überbrücken spendet Stephanie Blut.
Das Geld hilft ihr, die größte Not etwas zu lindern.
In Deutschland gibt es bis auf wenige ehrenamtliche Einrichtungen
keine professionelle Hilfe für Waisenkinder. Mit der Volljährigkeit
sind die jungen Erwachsenen auf sich alleine gestellt. Überfordert
und mit manchmal grotesken Folgen, wie im Fall von Stephanies
Schwester Franziska. Die heute 20-Jährige sucht dringend nach einem
Bürgen für ihr Schulgeld, bis heute erfolglos. Doch damit nicht
genug. Vom Arbeitsamt bekam die Berlinerin die Mitteilung, dass ihr
die Gelder rückwirkend gestrichen werden. "Von was soll ich dann
leben", fragt sich Franziska völlig resigniert.
Tief prägt sich der Verlust der Eltern in die Biographie von Kinder
und jungen Erwachsenen ein. Die Fälle von Stephanie, Rike und ihren
Geschwistern zeigen, das es kaum möglich ist, alleine mit diesem
Schicksal fertig zu werden. Daneben sind es aber auch
bewundernswerte Beispiele für den Trotzdem-Lebesmut. Rike hat sich
aus den realen Erinnerungen "imaginäre" Eltern geschaffen; und die
sagen ihr: "Gott sei dank hört sie auf, mit Scheuklappen durch die
Welt zu rennen und fängt an, wirklich zu leben...":

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Telefon: 06131 / 70 - 2120

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