Das Interview von Kinderreporter Peter Tietzki mit Bundeskanzlerin Angela Merkel in der ZDF-Kindernachrichtensendung "logo!" am Samstag, 8. April 2006, 8.50 Uhr
Mainz (ots)
Kinderreporter Peter Tietzki: Sie sind Kanzlerin von Deutschland. Was ist das für ein Gefühl?
Bundeskanzlerin Angela Merkel: Das ist eigentlich ein sehr schönes, aber auch verantwortungsvolles Gefühl. Man hat eine Aufgabe, bei der man sehr viel zu tun hat, aber es macht auch sehr viel Spaß.
Und wenn man in diesem Kanzleramt ist, dann kommen natürlich auch sehr, sehr viele Menschen, die ihre Anliegen vorbringen wollen auch internationale Gäste. Für mich ist es immer ein bisschen auch wie ein Schaufenster von Deutschland, wenn die Menschen hierher kommen. Das heißt, ich repräsentiere, also ich stelle auch ein Stück von Deutschland dar. Dessen bin ich mir bewusst, und deshalb freu ich mich auch, dass viele Menschen meine Arbeit unterstützen.
Angela Merkel zeigt Peter den Kabinettssaal.
KR: Sieht ja richtig nett aus hier. - Und hier treffen sich die Minister?
Merkel: Hier treffen sich die Minister jeden Mittwoch, und zwar um 9.30 Uhr. Und dann kann man an den Namensschildern auch sehen, wer wo sitzt. Hier sitze ich, dort sitzt der Herr Müntefering als Vizekanzler, hier sitzt der Chef vom Kanzleramt, gegenüber sitzt immer der Finanzminister, daneben der Wirtschaftsminister, und dann haben wir eine Uhr hier, damit jeder sehen kann, wie spät es ist ...
KR: Die sieht richtig toll aus!
Merkel: Ja? Und eine Glocke, die man, wenn zu viel Unruhe ist, schwenken kann, damit Ruhe einkehrt. Und dann hat man hier noch so einen Knopf. Und wenn ich da drauf drücke, kommt jemand von draußen, und dann kann es z. B. sein, dass ich irgendeine Unterlage haben möchte, oder einen Zettel weggeben möchte, dass jemand jemandem etwas Wichtiges ausrichtet ... Das kann man über den Knopf machen.
KR: Ach so, okay.
Merkel: Und dann gucken wir, wenn wir rausgucken, auf den Reichstag.
KR: Da sieht man den Reichstag, genau.
Merkel: Und dann denken wir immer daran, dass natürlich die Abgeordneten über die Gesetze, die wir hier beschließen, anschließend auch beraten werden.
KR: Frau Merkel, glauben Sie, Sie sind besser als Ihr Vorgänger Gerhard Schröder?
Merkel: Ich glaube, dass jeder die Arbeit als Bundeskanzler so macht, wie er als Typ ist, oder sie als Typ ist. In meinem Fall mach ich es so, wie es meine Art ist, und da gibt es sicherlich Unterschiede. Aber ob das jetzt besser oder schlechter ist, darüber muss am Schluss immer der Wähler entscheiden.
KR: Wie fluchen Sie eigentlich, wenn Ihnen was gegen den Strich geht?
Merkel: Dann sage ich z.B., dass man jetzt mal ein bisschen schneller machen soll oder dass etwas nicht so gut läuft. Aber am Schluss soll ja ein Ergebnis rauskommen, d. h. ich beruhige mich dann auch schnell wieder.
KR: Gibt es hier manchmal Probleme mit den Ministern? Ich meine, das sind ja alles Männer? Können die auch manchmal rumzicken, weil Sie ne Frau sind?
Merkel: Nein, das sind ja gar nicht alles Männer als Minister. Also wir haben auch viele Frauen als Minister: die Gesundheitsministerin, die Entwicklungshilfeministerin, die Familienministerin, die Bildungsministerin, die Justizministerin. Wir sind ja schon fast halbe-halbe. Und Frauen sind auch Menschen - also die haben mal gute Laune, mal schlechte Laune - genauso, wie die Männer. Und wir arbeiten eigentlich im Kabinett, hier an dem Tisch, an dem wir jetzt ja auch gerade sitzen, sehr, sehr gut zusammen. Und jeder weiß, dass der andere seine eigene Meinung hat. Und wir haben Achtung vor einander. Ich glaube, das ist das, was zählt!
KR: Was war Ihr peinlichster Moment als Kanzlerin?
Merkel: Hm, da hab ich eigentlich noch keine Sorgen gehabt, mir sind immer alle Worte eingefallen und auch die Namen, und insofern hab ich da keine schlechte Erinnerung.
KR: Sie haben ja Bodyguards, stimmts?
Merkel: Richtig!
KR: Sitzen die auch manchmal abends bei Ihnen auf dem Sofa oder genauer gesagt, spielen die auch manchmal in Ihrem Privatleben eine Rolle?
Merkel: Nein, das ist getrennt. Meine Wohnung ist auch nicht so groß, dass da noch dauernd viele mitkommen könnten. Also die begleiten mich bei den offiziellen Terminen, aber wenn die Wohnungstür zugeht, dann geht die Wohnungstür zu. Und dann haben die frei.
KR: Können Sie eigentlich in Ruhe einkaufen oder ins Kino gehen?
Merkel: Ich kann einkaufen gehen, und ich kann ins Kino gehen. Natürlich werde ich erkannt von den Leuten, und manche grüßen mich, oder manch einer möchte ein Autogramm. Aber im Grunde, gerade da, wo ich immer einkaufen gehe, kennen die Leute mich, und die finden, dass ich genauso Butter und Brot brauche, wie andere Leute auch.
KR: Gibt es auch Tage, an denen Sie überhaupt keine Bock haben auf die Arbeit, einfach mal schwänzen wollen?
Merkel: Ja, aber die Frage stellt sich nicht. So wie ein guter Schüler in die Schule geht und sich auf die Ferien freut, so freu ich mich dann manchmal auf ein paar Tage Urlaub, aber ich geh eigentlich morgens gut gelaunt zur Arbeit.
KR: Ähm, das ist jetzt eine Zuschauerfrage: Wie lange brauchen Sie morgens im Bad?
Merkel: Also, wenn ich mich spute, dann brauche ich so inklusive Frühstück eine Stunde.
KR: Welche Stars finden Sie gut?
Merkel: Ich finde manche Schauspieler gut und manche Sänger auch, aber ich greife jetzt mal keine einzelnen Namen heraus. Jetzt konzentrieren wir uns ja gerade auf Fußball, da hoff ich, dass unsere Fußballer alle gut spielen, und dass Michael Ballack ein guter Nationalmannschaftskapitän sein wird und auch gute Nerven hat.
KR: Apropos Fußball: Mal Hand aufs Herz - wie weit kommt Deutschland?
Merkel: Tja, wie weit soll Deutschland kommen? Ich glaube, dass Deutschland gute Chancen hat, sehr, sehr weit zu kommen. Und ganz zum Schluss wirds die Frage sein, ob die Mannschaft zusammenhält. Ob sie gute Nerven hat und ob wir diese Mannschaft gut unterstützen oder die ganze Zeit am Rande sitzen und ein bisschen rummeckern und maulen. Und wenn das alles zusammengeht, dann hat unsere Mannschaft auch die Chance, ins Endspiel zu kommen.
KR: Und Sie freuen sich auf die WM, oder?
Merkel: Ich freue mich, ja, sehr. Erst mal auf die Fußballspiele, dann auch auf die vielen Gäste, die wir bekommen werden. Und wenn man hier rausguckt (zeigt aus dem Fenster), dann wird gleich vor dem Reichstag ein riesiges Stadion aufgebaut - so ein Ersatzstadion, in dem man auf einer großen Leinwand alles sehen kann. Also vor dem Kanzleramt wird auch viel Bambule und viel Aufregung sein.
KR: Jetzt mal so eine Schulfrage: Im Moment siehts ja nicht so gut aus an einigen Schulen in Deutschland. Was machen Sie, damit es besser wird?
Merkel: Ich glaube, dass wir uns mit der Frage "Wie geht es an den Schulen zu?" viel mehr beschäftigen müssen. Es stellt sich die Frage: Können die Kinder, die in der Schule sitzen, eigentlich ihren Lehrer verstehen? D.h. wir müssen Geld ausgeben, um Kindern Sprachkurse zu ermöglichen. Das wird glücklicherweise seit einigen Jahren schon verstärkt gemacht, aber das muss jetzt ganz konsequent gemacht werden. Wir werden uns auch mit den Vertretern der Länder treffen, um zu beratschlagen, wer was leisten kann.
KR: Und was ist mit der Gewalt an den Schulen? Das ist ja auch ein großes Problem!
Merkel: Ja. Schüler, die nicht mitkommen, die am Unterricht keine Freude haben, kommen dann auch auf schlechte Gedanken. Und ich glaube, dass es ganz, ganz wichtig ist, dass man den Anfängen wehrt. Ich habe jetzt viel über Lehrer gelesen. Die sagen auch: Wenn die Schüler schon mal nur so ein bisschen rumrempeln oder so, schon da muss man einfach darauf hinweisen, dass das nicht okay ist. Denn wenn einmal mit dem Rempeln angefangen wurde, dann ist es morgen ein kleiner Puffer, und übermorgen wird schon stärker zugeschlagen. Das heißt, man muss schon deutlich sagen, was geht und was nicht geht.
KR: Was ist ihr größtes Ziel jetzt für die Zukunft?
Merkel: Mit meiner Arbeit möchte ich erreichen, dass es vielen Menschen, denen es heute nicht so gut geht, besser geht. Das heißt zum Beispiel, dass ich möchte, dass die vielen Arbeitslosen weniger werden. Das können wir Politiker nicht ganz allein machen, aber wir können einen Beitrag dazu leisten. Ich möchte, dass die jungen Leute, die aus der Schule kommen, auch wirklich die Chance haben, eine Lehrstelle zu bekommen. Wir haben immer noch 600.000 junge Leute unter 25, die keine Beschäftigung haben. Und ich stelle mir das sehr, sehr schwer vor, wenn auch Schüler, die gut gelernt haben, manchmal 50 Bewerbungen, 60 Bewerbungen schreiben müssen und keine richtige Antwort bekommen. Da achte ich sehr darauf, dass wir eine Verbesserung bekommen.
KR: Vielen Dank für das Interview!
Das Interview ist am Dienstag, 11. April 2006, um 16.50 Uhr und 19.50 Uhr, auch in KI.KA., dem Kinderkanal von ARD und ZDF, zu sehen.
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