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BND-Präsident Ernst Uhrlau exklusiv im ZDF: "Irak-Krieg unter dem Gesichtspunkt der Terrorbekämpfung ein Fehler"

Mainz (ots)

Zum fünften Jahrestag der Terroranschläge vom 11.
September 2001 führte das ZDF ein Exklusivinterview mit BND-Präsident
Ernst Uhrlau, in dem er den Irakkrieg als "Fehler" bezeichnet.
Fünf Jahre nach 9/11 habe man nun auch eine "andere Gefahrenlage"
als vor 2001 und damit auch "größere Schwierigkeiten, dezentrale,
autonom operierende Gruppen, die nicht eingebunden sind in feste
Strukturen, rechtzeitig zu erkennen." Insgesamt sei man durch die
gute nationale und internationale Zusammenarbeit bei der
Terrorbekämpfung aber gut aufgestellt. Noch einmal weist der BND-
Chef alle Vorwürfe zurück, deutsche Sicherheitsbehörden hätten von
Folter und anderen zweifelhaften Verhörmethoden profitiert.
Auszüge aus dem Gespräch sendet das ZDF am heutigen Montag, 11.
September 2006, um 21.45 Uhr im "heute-journal"; die ausführliche
Fassung des Interviews ist heute ab 12.00 Uhr im Internet unter
www.heute.de zu finden.
Nachfolgend einige Zitate aus dem Gespräch.
Ernst Uhrlau, Präsident des Bundesnachrichtendienstes, im ZDF-
Interview...
...zur Frage, wie sich die Bedrohungslage seit dem 11. September
verändert hat: "In den letzten Jahren ist durch Dezentralisierung,
durch autonome Gruppen, durch sehr kleinteilige Zellenbildung, durch
home- grown/home-made Terrorismus in Europa eine ganz andere
Gefahrenlage entstanden. (...) Wir haben ein Mehr an Terrorismus,
wir haben ein Mehr an Gefährdung, und wir haben größere
Schwierigkeiten, dezentrale, autonom operierende Gruppen, die nicht
eingebunden sind in feste Strukturen, rechtzeitig zu erkennen."
...zur Lernfähigkeit von Terroristen gegenüber schärferen
Sicherheitsmaßnahmen: "Die terroristische Kreativität zielt darauf
ab, Substanzen zu entdecken, die miteinander kombiniert werden
können, um Sicherheitsmaßnahmen zu unterlaufen. Denn die
Sicherheitsstandards, die nach dem 11. 9. im internationalen
Flugverkehr entstanden sind, lassen eine Wiederholung des 11. 9., so
wie es in den USA abgelaufen ist, nicht zu. Und deswegen die Suche
nach Alternativen. Alternativen deswegen, weil die Anstrengungen, den
Luftverkehr weiterhin sicher zu halten, erheblich sind. Und sowohl
den Europäern als auch den USA zu zeigen: ‚Wir können dieses
unterlaufen, wir sind stark genug, eure Mauern zu durchbrechen’, das
wäre auch ein psychologischer Erfolg. Bisher ist es diesen
Gruppierungen nicht gelungen."
...zur Frage, ob der Irakkrieg ein Fehler war: "Ich sehe den
Irakkrieg unter dem Gesichtspunkt Terrorbekämpfung schon als einen
Fehler. Denn Terroristen hat es vor dem Krieg im Irak nicht gegeben.
Das ist ein anderer Ansatz des diktatorischen Regimes von Saddam
Hussein gewesen. Islamisten wären immer eine Bedrohung für jeden
Staat, der die Religion in die zweite Reihe schickt. Und
Selbstmordattentäter sind nicht in der Struktur der irakischen
Extremisten gewesen. Der Irak ist jetzt eine Plattform, eine
Mobilisierungsplattform und die Chance, die USA dort anzugreifen.
Und so fatal es ist: Ein Sieg von Islamisten im Irak wird keiner in
Europa sich wünschen können, auch diejenigen, die politisch 2003 das
militärische Vorgehen noch nicht für angezeigt hielten."
...zu den aus Sicht von Menschenrechtsgruppen zweifelhaften
Praktiken der CIA, wie z.B. Renditions (Entführungen) und Folter:
"Strafverfolgung – das ist unsere Grundphilosophie immer gewesen –
ist eine unverzichtbare Komponente auch der Prävention. Und deswegen
ist der Ansatz sicherlich unterschiedlich und wird auch
unterschiedlich sein müssen, weil eine derartige Praxis der USA sich
mit unseren Rechten überhaupt nicht in Einklang bringen lässt. (...)
Und ich glaube, dass wir mit unserer Form der Terrorismusaufklärung
und –bekämpfung in den letzten Jahren erfolgreich gewesen sind, und
es ist auch die Art der Bekämpfung, die der Verfassung und auch der
Kontrolle von Sicherheitsbehörden in einem parlamentarischen
Regierungssystem entspricht. Wir sind kein präsidentielles System."
...zum Vorwurf, dass deutsche Behörden zumindest indirekt von
illegalen Praktiken profitiert haben: "Weder der BND noch das BfV
noch das Bundeskriminalamt, so wie ich das aus dem Bericht der
Bundesregierung in Erinnerung habe, hat sich an irgendeiner
Foltermethode beteiligt. Sie haben auch nicht davon profitiert. Die
Bundesrepublik hat in den letzten Jahren eine Reihe von Informationen
von Nachrichtendiensten bekommen, bei denen nicht draufsteht, ob das
Quelleninformationen gewesen sind, ob das Informationen von dritten
Partnern waren oder ob sie aus Exekutivmaßnahmen stammen. Und Sie
können sicher sein: Informationen, die das Bundeskriminalamt von
ausländischen Strafverfolgungsbehörden bekommt für Verfahren in
Deutschland, werden für die Ermittlungsverfahren nach unserer
Strafprozessordnung genutzt oder nicht genutzt."
...zur Frage, welche Folgen eine Festnahme oder Tötung Osama bin
Ladens hätte: "Die Annahme: Wenn Osama bin Laden fällt, dann ist das
ein großer, dauerhafter Schlag gegen die internationalen Netzwerke –
Osama bin Laden ist dann eine Ikone. Genauso wie Che Guevara nach
seinem Tod weiterhin Ideengeber geblieben ist. Wir haben es im Irak
erlebt, dass der Tod von Zarkawi nicht das Ende der militanten und
terroristischen Aktivitäten gewesen ist. Die reine Fixierung auf eine
Person, auf zwei Personen oder auf drei Personen verkennt die
Prozesse, die es in den letzten Jahren gegeben hat. Dezentralisierung
heißt Handlungsfähigkeit ohne die klare Linienfunktion."
Rückfragen bitte an die Redaktion "heute-journal": 06131-70-2514.

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