MONITOR: Schwere Erdbeben können auch in Deutschland drohen
Köln (ots)
Auch in Deutschland kann es zu schweren Erdbeben bis zu einer Stärke von 7,0 auf der Richter-Skala kommen. Gegen diese Beben sind aber viele sicherheitsempfindliche Bauwerke wie Atomkraftwerke oder Chemieanlagen nur unzureichend gesichert. Das berichten führende europäische Seismologen im ARD-Magazin MONITOR (Sendung: Donnerstag, 27.1.2000 um 21.00 Uhr im Ersten). Bislang sei man davon ausgegangen, es könne in Deutschland nur zu wesentlich schwächeren Beben kommen. Nach neuesten paläoseismologischen Untersuchungen in Deutschland, Holland und Belgien könnten aber Erdbewegungen auftreten, die über hundertmal stärker sind. Dies entspräche einem Beben der Stärke des Erdbebens in der Türkei im letzten Spätsommer.
Kerntechnische Anlagen müssen laut gesetzlicher Vorschrift so ausgelegt sein, dass sie auch Erdbeben standhalten, wenn diese nach dem neuesten Stand der Wissenschaft als wahrscheinlich gelten. Deshalb müssten viele solcher Anlagen nun nachgerüstet werden, fordert das Geologische Landesamt Nordrhein-Westfalen gegenüber MONITOR.
Noch dramatischer sehe es nach Auffassung der Experten im Bereich der chemischen Industrie aus: Obwohl in den großen deutschen Erdbebengebieten, wie etwa der Rheinischen Bucht, eine überdurchschnittliche Konzentration von Chemiewerken bestehe, gebe es keine wirksame gesetzliche Vorschrift für die Erdbebensicherheit solcher Anlagen. Dort gelte lediglich die Bauvorschrift wie für normale Ein- oder Zweifamilienhäuser, die sogenannte DIN 4149. Auch dies wird von den Fachleuten des Geologischen Landesamtes gegenüber MONITOR kritisiert. Der international renommierte Geophysiker und Paläoseismologe vom Geologischen Landesamt NRW, Dr. Rolf Pelzing, sagt: "Es ist bedenklich, dass hier keine Regelwerke existieren, gerade für chemische Großanlagen." Zwar hätten einige Unternehmen freiwillig zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen getroffen, doch diese seien besonders bei schweren Beben oft unzureichend. Beim Geologischen Landesamt sei in den letzten 30 Jahren nur eine einzige chemische Anlage registriert worden, die nach dem neuesten Stand der Wissenschaft erdbebensicher ausgelegt wurde.
Die mangelhafte Absicherung gegen schwere Erdbeben bestätigt auch der stellvertretende Forschungsleiter bei der Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft, der Geologe Dr. Anselm Smolka. Er hat berechnet, dass es bei einem Beben der Stärke 6,0 im Raum Köln zu Schäden in Höhe von 25 Milliarden Mark komme; bei Stärke 6,7 sei mit Schäden von über 180 Milliarden Mark allein im Kölner Raum zu rechnen. Smolka sagt gegenüber MONITOR: "Die bisherige DIN 4149 trifft auf chemische Anlagen eigentlich gar nicht zu. Und generell kann man sagen, dass diese Vorschrift aus heutiger Sicht veraltet und lückenhaft ist."
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