Das Erste, Sonntag, 11. November 2001, 17.30 - 18.00 Uhr
Ich habe
überlebt
Albtraum sexuelle Gewalt
Reportage von Ruth Kühn
Köln (ots)
Jeden Abend sitzt Jule bis tief in die Nacht vor dem Fernseher. Selten empfängt sie Besuch, geht nie ans Telefon. Die Wohnung verlässt sie nicht ohne ihren Mann. Wenn Jule an ihre Kindheit denkt, bekommt sie Asthmaanfälle und Migräne. Nachts plagen sie Albträume. Viele Jahre verbrachte sie in einer psychiatrischen Klinik, inzwischen ist sie in der Lage, die Woche mit nur einem Besuch bei einer Psychologin zu bewältigen.
Jule wurde von ihrem siebten bis zwölften Lebensjahr von ihrem Stiefvater sexuell misshandelt. Heute ist sie Rentnerin.
Religion und Kirche als Schutzraum spielten in Jules Leben eine zentrale Rolle. Das Kind Jule sucht und findet zu DDR-Zeiten Trost in der Kirchengemeinde - gegen den Widerstand und das Verbot ihrer Mutter, lässt sich später zur Diakonin ausbilden.
Die Frage nach Glaube und Vergebung ziehen sich bis heute durch ihr Leben. "Du musst nur fest genug glauben, dann kannst Du verzeihen, dann wird alles gut", rät ihr die Pflege-Mutter immer wieder. Jule verzweifelt daran - sie kann ihrem Vergewaltiger nicht vergeben...
Aber die 36-jährige will sich nicht länger mit einem Leben in engen Grenzen abfinden. Sie beschließt, Orte und Personen ihrer Kindheit aufzusuchen, will sich endlich auch innerlich von ihrer toten Mutter verabschieden. Ein neuer Familienname soll der Einstieg in eine bessere Zukunft werden. Ihre tiefgläubigen Pflegeeltern bieten ihr eine Adoption an.
Die Reportage begleitet Jule bei ihrem Versuch, die Folgen der jahrelangen Misshandlung zu bewältigen.
Redaktion Maria Dickmeis
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