WDR-Schwerpunkt zu 60 Jahren deutsch-türkischer Einwanderungsgeschichte
Köln (ots)
Heute leben knapp drei Millionen Menschen mit eigener oder familiärer Einwanderungsgeschichte aus der Türkei in Deutschland, davon rund 950.000 in NRW. Was bewegt sie? Mit der Schwerpunktwoche ‚60 Jahre Hallo Almanya‘ zeigt der WDR, wie das im Herbst 1961 zwischen der Türkei und Deutschland geschlossene Vereinbarung immer noch Leben und Alltag der Türkei-stämmigen Deutschen prägt.
Das am 30. Oktober 1961 zwischen der Türkei und Deutschland vereinbarte Anwerbeabkommen setzte den Startpunkt für zahlreiche Zuwandererbiografien, die heute ein fester Bestandteil der Einwanderungsgesellschaft geworden sind. Allein bis zum ‚Anwerbestopp‘ im Jahr 1973 kamen 867.000 sogenannte ‚Gastarbeiter‘ in die damalige Bundesrepublik und nach West-Berlin. Viele blieben, ihre Familien zogen nach, neue Freundschaften und neue Familien entstanden. Heute sind Menschen mit türkischer Zuwanderungsgeschichte in allen gesellschaftlichen Bereichen selbstverständlich vertreten, in Wirtschaft, Politik, Sport, Kunst und Kultur. Doch wie lebt es sich mit türkischen Wurzeln in Deutschland? Was bewegt die Türkei-stämmigen Deutschen? Wie gehen sie mit ihrer ganz persönlichen Lebensgeschichte um, die oft immer noch von dem vor 60 Jahren geschlossenen Abkommen geprägt wird.
COSMO spricht dazu ab dem 25. Oktober mit Promis wie dem Musikproduzenten Mousse-T., Rapper Chefket oder Kabarettistin Idil Baydar, aber auch mit ganz normalen Türkeistämmigen Menschen. Die Gespräche mit den Promis gibt es im Radioprogramm von COSMO und auf Instagram.
In der Videoreihe ‚Hallo Almanya‘ zeigen Menschen mit türkischen Wurzeln Dinge, die ihre Vorfahren mit nach Deutschland gebracht haben. Sie berichten, was sie bis heute damit verbinden und was diese Gegenstände mit ihrer Herkunft zu tun haben. Zum Beispiel verwendet ein türkischer Künstler für seine Werke alte Stoffe vom Marktstand seines Vaters. Eine Schauspielerin spricht über das alte Fischernetz ihres Vaters. Einige Filme der Reihe sind auf Deutsch, einige auf Türkisch. Zu sehen sind die Filme auf cosmoradio.de und auf dem Facebookprofil von Köln Radyosu, der türkischen Redaktion von COSMO.
Aktuell setzt COSMO einen Musikschwerpunkt auf türkischen Rap. Aufwändig produzierte Audiobeiträge zeichnen unter anderem nach, wie in Berlin-Kreuzberg zum ersten Mal auf Türkisch gerappt wurde und wie die Kinder der Gastarbeiter durch den Hiphop eine kulturelle Stimme fanden.
Im Ersten und der ARD Mediathek ist am 1. November die WDR/BR-Dokumentation ‚Auf nach Almanya‘ zu sehen (23.35 Uhr). Die Regisseurin Gülsel Özkan zeigt in ihrem Film, welche Auswirkungen die gesellschaftlichen Umbrüche in Deutschland auf die Migrantinnen und Migranten hatten, z.B. die Wirtschaftskrise, der spätere Anwerbestopp und die wechselnde wirtschaftliche und politische Situation in der Türkei. Der Film erzählt die Geschichte der Ankunft der Frauen und Männer aus der Türkei, ihre Veränderung, und wie sie unsere heutige Gesellschaft mit entwickeln und prägen.
Das WDR Fernsehen nimmt mit vielen Lokalzeit-Sendungen das Thema regional in den Blick und sendet ausgewählte Spielfilme, die ab dem 31. Oktober auch in der ARD Mediathek verfügbar sind. WDR 5 sendet neben der aktuellen Berichterstattung unter anderem in ‚Neugier genügt‘ eine Reihe von Features, Beiträgen und Gesprächen zur Themenwoche, so zum Beispiel am 25. Oktober (10.00 – 12.00 Uhr) eine Redezeit mit Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan, wissenschaftlicher Leiter der Stiftung Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung (ZfTI) an der Universität Duisburg-Essen. Der Migrationsforscher, selbst als ‚Gastarbeiterkind‘ 1973 nach Berlin gekommen, erläutert Hintergründe und Bedeutung des Abkommens für die moderne deutsche Gesellschaft.
Vom 24. bis 31. Oktober sendet WDR 3 einen Hörspielschwerpunkt zum Thema. Den Auftakt macht am 24. Oktober ‚Bitmemiş - Not finished yet‘ (WDR 2019). In dem von 19.04 - 20.00 Uhr gesendeten Hörspiel von Ralf Haarmann erzählen Drei junge Frauen der sogenannten ‚dritten Einwanderergeneration‘ von sich und ihren Großmüttern, die entgegen der landläufigen Meinung keine Anhängsel ihrer arbeitenden Männer waren, sondern – wie viele Türkinnen dieser Zeit – stark und absolut selbstständig. Zum Abschluss am 31. Oktober geht es ab 17.04 Uhr in ‚Güldens Schwester‘ (BR 2020) um die Lehrerin Fatma, die Zeugin eines schrecklichen Verbrechens wird und danach tief in ihre eigene Einwanderungsgeschichte eintaucht.
Die Maus zum Hören begibt sich am 30.10. auf die Spur der sogenannten Kofferkinder: Oft arbeiteten in Deutschland damals beide Eltern ganztägig in der Fabrik oder im Bergbau. KiTa-Plätze gab es kaum, und die Gastarbeiter:innen hatten hier oft keine Vertrauten, die auf die Kinder aufpassen konnten. So wurden diese oft zu den Großeltern oder Verwandten in die Türkei zurückgeschickt. Sie hießen Kofferkinder, weil sie so oft ihre Koffer packen mussten. Die Maus zum Hören besucht außerdem eine Moschee in Istanbul, analysiert türkische Vornamen und beobachtet tanzende Derwische in Konya (Anatolien).
Ausstrahlungstermine der Spielfilme im WDR Fernsehen zu ‚60 Jahre Hallo Almanya‘:
30.10.21
- 8:15 Uhr: Zaun an Zaun mit Esther Schweins und Adnan Maral
Der spießige, türkischstämmige Bauleiter Kenan und seine Vermieterin, die chaotische Künstlerseele Lissi geraten ständig aneinander. Als ihr die Zwangsversteigerung droht, raufen sie sich zusammen und sie zieht sogar bei ihm ein.
- 12:30 Uhr: Krüger aus Almanya mit Horst Krause, Anna Unterberger, Karim Günes
Bei der Komödie handelt sich um die Geschichte des Rentners Paul Krüger, der von seiner Enkelin zu ihrer Hochzeit mit ihrem türkischen Freund in die Türkei eingeladen wird und ihr diese ausreden will.
- 22:30 Uhr: Einmal Hans mit scharfer Soße mit Idil Üner, Adnan Maral, Siir Eloglu
Multikulti-Komödie um eine junge Deutschtürkin, die schnell einen passenden Mann fürs Leben finden muss. Nach dem gleichnamigen Roman von Hatice Akyün.
- 00:00 Uhr: Leberkäseland mit Neda Rahmanian, Murathan Muslu, Sascha Ö. Soydan
Untypische Integrationsgeschichte einer türkischen Zahnarztfamilie, die zwischen reaktionären Lehrern, spießigen Nachbarn und Schlagermusik den Leberkäse für sich entdecken und in Deutschland Fuß fassen. Die Geschichte beginnt in den 1960ern und begleitet die Familie über mehrere Jahrzehnte.
1.11.21
- 10:45 Uhr: Der Hodscha und die Piepenkötter mit Anna Stieblich, Hilmi Sözer, Hasan Ali Mete.
Culture-Clash-Komödie nach dem gleichnamigen Roman von Birand Bingül. Ursel Piepenkötter, amtierende Bürgermeisterin von Lautringen, steht kurz davor, für ihre Partei in die kommende Bürgermeisterwahl zu ziehen. Doch die türkische Gemeinde der Stadt will endlich ihre neue Moschee bauen. Was deren Geistlichen, den neuen Hodscha, erfreut, bringt die Piepenkötter parteipolitisch enorm in die Bredouille. Es bleibt ihr nichts übrig, als die Pläne des Hodschas zu durchkreuzen. Doch dabei hat sie ihre Rechnung ohne Nuri Hodscha gemacht, der es mindestens genauso faustdick hinter den Ohren hat wie sie. Das Duell zweier hinterlistiger Dick- und Hitzköpfe nimmt seinen Lauf.
- 21:45 Uhr: Türkisch für Anfänger mit Josefine Preuß, Elyas M'Barek und Anna Stieblich
Mit spritzigen Dialogen, einer Portion Frechheit und Unangepasstheit erzählt die Kinoadaption der TV-Serie ‚Türkisch für Anfänger‘, das Regiedebüt von Serienschöpfer Bora Dagtekin, die Geschichte der beiden Familien neu. Die Komödie über den Culture-Clash im unberührten Paradies zieht fröhlich und politisch unkorrekt Emanzipationsgedanken, Männlichkeitswahn und übertriebene Religiosität durch den Kakao und macht dabei vor keinem Klischee und Vorurteil halt. Der erfolgreichste deutsche Kinofilm im ersten Halbjahr 2012.
- 23:30 Uhr: Shirins Hochzeit mit Ayten Erten, Jürgen Prochnow, Aras Ören
Einer der ersten aus türkischer Sicht erzählten deutschen Spielfilme, der das Leben der jungen Türkin Shirin darstellt. Sie ist bereits als Kind Mahmut versprochen. Eines Tages wirft ihr Vater mit einem Stein nach dem Verwalter, für den sie arbeiten, und wird verhaftet.
Die Erstsendung des Spielfilms Shirins Hochzeit im WDR-Fernsehen löste massive Proteste rechtsextremistischer Kreise in der Türkei aus und führte auch zu einer kleinen Protestkundgebung türkischer Nationalisten vor dem WDR-Funkhaus in Köln. Ayten Erten, die Darstellerin der Shirin, wurde massiv bedroht und ihre Schauspielkarriere war nach dem Film quasi beendet. Seit den 80er Jahren ist kaum mehr etwas über sie bekannt.
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