Krankenhauseinkäufer jetzt gesetzlich verpflichtet, Produktqualitäten zu unterscheiden
Patientenrechtegesetz nimmt Kliniken bei der Wahl von Medizinprodukten stärker in die Pflicht
Starnberg (ots)
Gern haben sich Einkäufern bei der Auswahl von Medizinprodukten bislang vorwiegend am Preis orientiert. Eine aktuelle Gesetzesänderung vom Februar 2013 setzt nun die Qualität der Produkte mit in den Fokus der Einkaufsentscheidung.
Am Beispiel von medizinischen Thromboseprophylaxestrümpfem (MTPS) erläuterten der Gesundheitsökonom Prof. Wilfried von Eiff aus Münster und der Medizinjurist Prof. Volker Großkopf aus Köln die neue Situation. Die zu einer Expertengruppe des Medical Data Institute gehörenden Referenten hielten ihre Vorträge auf den diesjährigen Jahreskongress der Prospitalia Einkaufsgemeinschaft. Die Prospitalia feiert in diesem Jahr ihr 20. Jubiläum. Sie ist die größte Einkaufsgemeinschaft Deutschlands und betreut als Marktführer in diesem Bereich über 800 Einrichtungen des Gesundheitswesens.
"Der Einkäufer ist zukünftig viel stärker als bisher in der Pflicht, sich über Qualitätsunterschiede der am Markt erhältlichen Medizinprodukte zu informieren", so von Eiff. Anhand von MTPS erläuterte der Ökonom den mehrdimensionalen Entscheidungsprozess. "In unserem Beispiel kommt dem Einkäufer die Wahl des Produktes mit dem billigsten Stückpreis am Ende teuer zu stehen. Das Billigprodukt ist ökonomisch die falsche Wahl und obendrein ein klinisches Risiko."
Insbesondere die Klinikeinkäufer seien gefordert, diese Entwicklung zu verfolgen und verstärkt Informationen zu Qualitätsunterschieden einzuholen. Bei den MTPS beispielsweise gebe es unterschiedliche Fabrikate mit unterschiedlicher Funktionalität am Markt. Im Gegensatz zur allgemeinen Meinung vieler Einkäufer seien die Strümpfe nicht alle gleich oder gar austauschbar." "Der von unserer Expertengruppe durchgeführte sogenannte HoSy-Test zeigt deutlich die Unterschiede zwischen den am Markt erhältlichen Fabrikaten. Die sind unterschiedlich designt, daher verwundert es nicht, dass sie im Test auch unterschiedlich abschneiden. Das Spektrum reicht von 100protzentiger Zweckerfüllung bis zu Strümpfen, die eher Gefahr laufen, eine Thrombose auszulösen", erläutert von Eiff.
Der Einkäufer sei verpflichtet, sich bei der Beschaffung eines Medizinproduktes vor seiner Entscheidung über alternative klinische Wirkungen sachgerecht zu informieren. Dazu gehöre es, sich im Falle von Produkten, die für kritische klinische Situationen eingesetzt werden - etwa Thromboseprophylaxe - ausreichend Fachinfos über die am Markt angebotenen Produkte einzuholen. "Eine Orientierung der Einkaufsentscheidung nur am Preis des Produktes kann klinische Komplikationen hervorrufen, sofern ein nicht funktionsgerechtes Produkt beschafft wird", führt von Eiff aus. "Viele Einkäufer sind sich der Tatsache nicht bewusst, dass sie bei einem Versäumnis rechtlich belangt werden können."
Der Jurist Prof. Volker Großkopf bestätigt die Ausführungen seines Vorredners: "Das Vorhalten der entsprechenden Qualität gehört zum medizinischen Standard", so Großkopf, "dies ergibt sich unmittelbar aus dem § 630 a, Abs. 2 BGB. Dieser Paragraph ist im Rahmen des Patientenrechtegesetzes, welches am 26. Februar 2013 in Kraft getreten ist, in das Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen worden." Großkopf weiß auch von Kliniken, die aus Einsparungsgründen erwägen, MTPS gar nicht mehr einzusetzen und weist ausdrücklich auf die Haftungsgefahr der Klinikverantwortlichen bei einseitigem Einsatz von ausschließlich medikamentösen Prophylaxemaßnahmen und dem völligen Ausschluss der tradierten Prophylaxe durch MTPS hin. "Wer die Möglichkeiten der Thromboseprophylaxe zulasten des Patienten einschränkt und nur noch die medikamentöse Therapie vorhält, setzt sich gegebenenfalls einem Haftungsrisiko aus. Ferner bedarf sowohl das Risikoassessment als auch die durchgeführte Therapie der hinreichenden Dokumentation", so der Jurist. Speziell für die Klinikeinkäufer bereitet die Expertengruppe zwecks Unterstützung eine Publikation vor.
Von Eiff ergänzt: "Damit kann sich nachher keiner mehr rausreden, weil er in Unwissenheit der Kenntnis eines nicht funktionsfähigen Produkts die falsche Einkaufsentscheidung getroffen hat. Juristisch wird in solchen Fällen unterstellt, der Einkäufer hätte um die mangelnde Funktionalität wissen müssen und verbindet damit eine "billigende Inkaufnahme" und damit Vorsatz".
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