General-Anzeiger: Leitartikel: Wohnen im Kiez. Das neue Buch des Neuköllner Bürgermeisters Heinz Buschkowsky
Bonn (ots)
Von Alexander Marionos
Was heißt hier "rechtspopulistisch"? Es sind die immer selben, inzwischen müde machenden Reflexe, mit deren Hilfe wichtige Debatten beendet werden sollen, bevor sie überhaupt begonnen haben. Darum sei an dieser Stelle klar gesagt: Heinz Buschkowsky hat recht. Es gehört inzwischen zum Erfahrungsschatz vieler Bürger in diesem Lande, dass man in bestimmten Stadtteilen in Berlin, aber auch in Köln, Bonn und anderswo manchen männlichen Jugendlichen ausländischer Herkunft lieber nicht zu nahe kommt. Ein falscher Blick reicht für eine Anpöbelei, ein falsches Wort kann handfeste Konsequenzen haben. Besonders an Schulen mit hohem Migrantenteil wächst die Deutschenfeindlichkeit. Es sind Parallelgesellschaften entstanden, in denen der deutsche Staat inklusive seiner Gesetze nicht nur nicht respektiert, sondern verachtet wird. Ist der Bürgermeister von Berlin-Neukölln nun plötzlich kein "guter Sozialdemokrat" mehr, weil er solche Wahrheiten klar ausspricht, die mit den gut gemeinten Multi-Kulti-Träumereien von einst nur schwer vereinbar sind? Man muss sich dazu nur einmal in den x-beliebigen SPD-Ortsverein eines Problemviertels setzen und den Menschen zuhören. Wer dort wohnt, hat einen anderen Blick auf das Thema Integration als Bewohner kernsanierter Altbauviertel. Letztere sprechen schon vom "Wohnen im Kiez", weil im Vorgarten gegenüber Gänseblümchen wachsen dürfen und Gardinen nicht den Blick aufs Billy-Regal versperren. Aus so einer beschaulichen Perspektive heraus lässt sich Buschkowsky leicht als "Sarrazin 2" abstempeln, auch wenn das Buch "Neukölln ist überall" auf seltsame Genetik-Debatten oder diskriminierend-krawallige Begriffe wie "Kopftuchmädchen" verzichtet. Buschkowsky geht es, anders als dem Bärendienst-Erweiser Sarrazin, in erster Linie um die Sache. Er will sich nicht damit abfinden, dass es politisch korrekt sein soll, die Augen vor Missständen zu verschließen. Wie krampfig sich die Politik dem Thema sonst nähert, zeigt ja schon die steigende Zahl verbotener Begriffe: "Ausländer" darf man nicht sagen, "ausländische Mitbürger" auch nicht, "Migranten" auch nicht; Menschen mit Migrationshintergrund - das geht schon eher, klingt aber nicht gut. Die meisten Türken von nebenan sind da klarer: "Wir sind Türken", sagen sie, auch wenn sie hier geboren sind, und hängen bei der EM die türkische Fahne aus dem Fenster. Wer ist also schuld, wenn Integration so nicht gelingt? Die Deutschen? Wie sehr Buschkowsky Sozialdemokrat ist, zeigt sich, wenn er in bester SPD-Tradition das Heil in der Bildungspolitik sucht. Wer den Kindern die deutsche Sprache, deutsche Kultur und deutsche Werte beibringen möchte, kommt um eine Kita-Pflicht und um Ganztagsschulen nicht herum. In dem Maße, wie die deutsche Mittelschicht nicht genug Kinder bekommt, wird die Förderung der Kinder aus bildungsfernen Schichten (deutsche und nicht-deutsche) für die Gesellschaft zunehmend "systemrelevant".
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