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Gesundheitswesen: Wenn sich Ökologie und Ökonomie die Hand geben – Nachhaltiges Klinikmanagement durch pflanzenorientierte Verpflegung

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Gesundheitswesen: Wenn sich Ökologie und Ökonomie die Hand geben

Nachhaltiges Klinikmanagement durch pflanzenorientierte Verpflegung

Berlin, den 24.06.2024

Das Gesundheitswesen hat in diesem Jahr die pflanzenorientierte Verpflegung für sich entdeckt: Deutschlandweit bestätigen Netzwerktreffen, Fachforen und Kongresse pflanzliche Gerichte als ebenso wirksame wie leicht umsetzbare Maßnahme für mehr Nachhaltigkeit im Krankenhaus. Die Ernährungsorganisation ProVeg war dabei und erklärt, welche Argumente Sustainability Manager und Klinikleitungen überzeugen.

Wenn Dr. med. Martha Groth ihre Zahlen vorlegt, spitzen die Fachkollegen die Ohren: Mit pflanzlichen Gerichten die Kosteneffizienz steigern? Und zugleich mehr Treibhausgas-Emissionen einsparen als mit einer Photovoltaik-Anlage? Die Augen reibt sich im Publikum inzwischen kaum noch jemand. Das Publikum passt lieber genau auf, welche konkreten Zahlen die Referentin für Nachhaltigkeit und Ärztin für Innere Medizin am Luisenhospital Aachen nennt. Denn die lassen auch Klinikleitungen aufhorchen. Spätestens seit die EU-Kommission im Juli 2023 mit der sogenannten CSR-Richtlinie verbindliche Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen festgelegt hat: Ab dem Geschäftsjahr 2025 werden große Krankenhäuser und Klinikgruppen verpflichtet sein, einen Nachhaltigkeitsbericht einzureichen.1

„Die Kliniken müssen nachhaltiger werden – und stehen unter einem immensen ökonomischen Druck. Jeder Schritt will gut überlegt sein, denn sowohl Geld als auch Zeit sind im Klinikalltag knappe Güter“, weiß Laura Goetze, die das Programm Leckeres Essen für alle (LEFA) in Gesundheitseinrichtungen der Ernährungsorganisation ProVeg verantwortet.

Köln: Klassische Speisepläne im Gesundheitswesen oft „katastrophal“

Beim Netzwerk-Treffen „Gesund von A bis Z auf dem Krankenhaus-Tablett“ von Health for Future, dem Kompetenzzentrum für klimaresiliente Medizin und Gesundheitseinrichtungen (KliMeG) und der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG) am 23. Mai 2024 in Köln wird deshalb genau kalkuliert: Wenn ein Chili sin Carne mit Bohnen je Gericht 1,10 Euro günstiger ist als ein Chili con Carne mit Rindfleisch, rechnet Sonja Schmalen, Netzwerkkoordinatorin bei Health for Future, dann macht das bei mehr als 360 Millionen Mahlzeiten für Patienten im Jahr einen erheblichen Kostenunterschied im Klinikalltag.2 3 Bundesweit gibt es in Deutschland derzeit 1893 Krankenhäuser.4 Noch deutlicher ist der Unterschied bei den Treibhausgas-Einsparungen: Ein Chili sin Carne mit Bohnen kann die CO2-Emissionen eines Chili con Carne mit Rindfleisch um mehr als 85 Prozent reduzieren, erläutert Schmalen.5

Nikola Klein vom Kantinenprogramm der Verbraucherzentrale NRW veranschaulicht die aktuelle Klinikverpflegung mithilfe eines klassischen Speiseplans: bis zu dreimal am Tag Fleisch und Hauptgerichte, die zu 96 Prozent tierische Produkte und zu 68 Prozent Fleisch oder Fisch enthalten. Begriffe wie „Katastrophe“ fallen. ProVeg kennt derartige Speisepläne aus Kochtrainings mit Gesundheitseinrichtungen gut. Das enorme Potenzial zur Einsparung – nicht nur von Kosten, sondern auch von Treibhausgasen – ist für die Teilnehmenden offensichtlich.

Dr. Groth vom Luisenhospital Aachen setzt es zu den Einsparungen einer Photovoltaik-Anlage ins Verhältnis. Die Klinik zählt beim Thema Nachhaltigkeit zu den bundesweiten Vorreitern und verlässt sich auf greifbare Zahlen: Mit einer Photovoltaik-Anlage mit einer Leistung von 99 kWp würde das Luisenhospital laut Energieaudit jährlich rund 35 Tonnen CO2-Äquivalente einsparen, mit dem Austausch von Butter durch Margarine gut 45 Tonnen. Allein der Einsatz von Rindfleisch verursacht im Jahr rund 69 Tonnen CO2-Äquivalente, erläutert Dr. Groth.6

Berlin: Verpflegung ist ein besonders machbarer und wirksamer Hebel

Eine Erhebung von Treibhausgas-Emissionen in Schweizer Kliniken liefert auch für Deutschland einen Orientierungswert: Im Schnitt entfallen dort 17 Prozent der Emissionen auf die Verpflegung.7 Das Speisenangebot für Patienten, Klinikgäste und Mitarbeitende ist damit der zweitgrößte Faktor für Emissionen, erläutern Anne Schirmeier und Matthias Kurandt von KLUG und KliMeG fünf Tage später auf dem Kongress CleanMed in Berlin. KliMeG-Geschäftsführer Matthias Albrecht fragt zum Kongressabschluss das Plenum: „Wie wirksam und machbar schätzen Sie Maßnahmen für die folgenden Handlungsfelder in Ihrer Einrichtung ein?“ Zur Auswahl stehen unter anderem Energieeffizienz und Kreislaufwirtschaft, Klimafreundlichkeit bei Hygiene, Wäsche und Facility Management sowie klimasensible Therapieentscheidungen. Das Fachpublikum räumt klimagesunder Verpflegung den ersten Platz ein – machbar, wirksam, urteilen die erfahrenen Praktiker.

„Was im privaten Haushalt gut funktioniert, ist im Krankenhaus noch lange nicht realisierbar. Kliniken sind hochkomplexe Systeme. Deshalb ist es entscheidend, Einschätzungen aus der Praxis ernst zu nehmen“, meint Goetze. Auf dem Forum Versor­gung der Techniker Krankenkasse (TK) am 6. Juni 2024 in Berlin geht es so auch nicht mehr um das Ob, sondern um das Wie: um die Rahmenbedingungen im Gesundheitssystem. Zusammen mit dem BKK Dachverband und der AOK Baden-Württemberg beklagt die TK, das Wirtschaftlichkeitsgebot blockiere nachhaltiges Handeln von Krankenkassen. Sie fordern daher, Nachhaltigkeit ins Sozialgesetzbuch aufzunehmen, und plädieren für eine stärkere Zusammenarbeit über alle Krankenkassen hinweg.

Leipzig: Die Entscheidung einfach machen

Der Kongress Ernährung bringt am 13. und 14. Juni 2024 in Leipzig die Spitzen der Ernährungsmedizin in Deutschland, Österreich und der Schweiz zusammen. Das diesjährige Kongressmotto lautet „Gesundheit ist nachhaltig“. Zum Beispiel mit Blick auf Nahrungsmittelabfälle: Ein wissenschaftliches Team rund um Nachhaltigkeitsforscher Andrew Berardy konnte 2022 nachweisen, dass in Kliniken durch vegetarische Menüs weniger Abfälle anfallen als durch fleischhaltige.8

Referentin Dr. med. Kristin Hünninghaus hat an der Uniklinik Essen untersucht, wie Kliniken die Bestellungen pflanzenbasierter Gerichte erhöhen können. Das Mittel der Wahl ist denkbar einfach: Kliniken sollten pflanzenbasierte Gerichte an erster Stelle im Speiseplan aufführen. Im Fachjargon heißt das Nudging – eine Verhaltensänderung durch eine veränderte Entscheidungssituation, die es erleichtern kann, die nachhaltigere Wahl zu treffen. „ProVeg Food Services vermittelt Küchenteams und dem Servicepersonal praktische Techniken und Rezepte rund um die pflanzenorientierte Krankenhausverpflegung – und schult Kliniken darin, die Akzeptanz pflanzlicher Gerichte zu steigern, zum Beispiel mittels Nudging“, erklärt Goetze. „Kliniken, die ihre Klimabilanz verbessern und die Kosten ihrer Speisenversorgung optimieren möchten, finden bei uns umfassende Unterstützung.“

Quellen

1 Europäische Kommission (2023): Erste europäische Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung. Online unter: https://ec.europa.eu/info/law/better-regulation/have-your-say/initiatives/13765-Erste-europaische-Standards-fur-die-Nachhaltigkeitsberichterstattung_de. Vgl. Anhang C (2023)5303.

2 Gvpraxis (2022): Die wahren Veggie-Kosten, Gastbeitrag von Dr. Markus Keller und Katrin Hammer, Forschungsinstitut für pflanzenbasierte Ernährung (IFPE), Ausgabe 7–8, Seite 22 ff.

3 Berechnung ausgeteilter Patientengerichte in Anlehnung an Dr. med. Lisa Pörtner, Institut für Public Health, Charité Berlin, auf Grundlage der Fallzahlen und der durchschnittlichen Verweildauer von Patienten in deutschen Krankenhäusern im Jahr 2022: ~120.979.000 Belegungstage × 3 Mahlzeiten = ~362.937.000 Patientengerichte. Berechnungsgrundlage: Destatis (2023): Krankenhäuser: Einrichtungen, Betten und Patientenbewegung, Stand: 13. Dezember 2023. Online unter: https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Gesundheit/Krankenhaeuser/Tabellen/gd-krankenhaeuser-jahre.html

4 Destatis (2023): Krankenhäuser: Einrichtungen, Betten und Patientenbewegung, Stand: 13. Dezember 2023. Online unter: https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Gesundheit/Krankenhaeuser/Tabellen/gd-krankenhaeuser-jahre.html

5 Gvpraxis (2022): Die wahren Veggie-Kosten, Gastbeitrag von Dr. Markus Keller und Katrin Hammer, Forschungsinstitut für pflanzenbasierte Ernährung (IFPE), Ausgabe 7–8, Seite 22 ff.

6 Datenbasis: Eaternity.

7 Keller, R. L., K. Muir, F. Roth et al. (2021): From bandages to buildings: Identifying the environmental hotspots of hospitals, in: Journal of Cleaner Production 319 128479. Online unter: https://doi.org/10.1016/j.jclepro.2021.128479

8 Berardy, A., B. Egan et al. (2022): Comparison of Plate Waste between Vegetarian and Meat-Containing Meals in a Hospital Setting: Environmental and Nutritional Considerations, in: Nutrients 14(6):1174. Online unter: https://doi.org/10.3390/nu14061174

Kontakt
Lena Renz
Senior PR Manager ProVeg 
presse@proveg.org 
+49 176 177 858 52
Über ProVeg
ProVeg International ist eine Ernährungsorganisation, die sich für die Transformation des globalen Ernährungssystems einsetzt. Unsere Mission ist, bis 2040 weltweit 50 Prozent der Tierprodukte durch pflanzliche und kultivierte Nahrungsmittel zu ersetzen. ProVeg arbeitet mit relevanten Akteuren am Übergang zu einem Ernährungssystem, in dem sich alle für genussvolles und gesundes Essen entscheiden, das gut für alle Menschen, Tiere und unseren Planeten ist. ProVeg hat den „Momentum for Change“-Preis der Vereinten Nationen erhalten und arbeitet eng mit den wichtigsten UN-Organisationen für Ernährung und Umwelt zusammen. Mit Büros in 12 Ländern auf 4 Kontinenten und mehr als 200 Mitarbeitenden erzielt ProVeg eine globale Wirkung.
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