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AOK im Dialog: "Europa für die Versicherten gestalten"

Bonn (ots)

Fritz Schösser, Verwaltungsratsvorsitzender des
AOK-Bundesverbandes: Kein Grund zur Entwarnung in Sachen
EU-Dienstleistungsrichtlinie.
Europa für die Versicherten gestalten, will die AOK durch bessere
Möglichkeiten für deutsche Versicherte, im europäischen Ausland
medizinische Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen und durch mehr
Wettbewerb zugunsten von Qualität und Wirtschaftlichkeit in
Deutschland. Dafür sprach sich Fritz Schösser, Vorsitzender des
Verwaltungsrates des AOK-Bundesverbandes, auf einer Veranstaltung
seines Verbandes in Berlin aus. "Wir wollen ein Europa, das die
erreichten Qualitätsstandards der Medizin im Wettbewerb untereinander
ausbaut und dabei die finanzielle Stabilität der nationalen
Gesundheitssysteme sichert." sagt Schösser. Eine Entwarnung in Sachen
EU-Dienstleistungsrichtlinie wäre daher nach Ansicht Schössers gerade
mit Blick auf diese Kernziele derzeit verfrüht. Die Ankündigung von
EU-Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy, den Gesundheitssektor aus
der geplanten EU-Dienstleistungsrichtlinie auszuklammern, sei zwar
grundsätzlich zu begrüßen. Allerdings werde sehr genau zu beachten
sein, ob diese Ankündigung so im Gesetzestext der Richtlinie
umgesetzt wird, dass die jetzt bestehenden Kritikpunkte zuverlässig
ausgeräumt werden. Ausnahmereglungen für den Gesundheitsbereich
müssten auch vor dem Europäischen Gerichtshof bestand haben können.
Dazu müsse der Gesundheitsbereich explizit durch einen entsprechenden
Artikel im Gesetzestext der Richtlinie ausgeklammert werden. Unklare
Ausnahmeregelungen und unbestimmte ergänzende Erklärungen in
Nebentexten könnten diese klare Freistellung von den Wirkungen der
Richtlinie nicht sicherstellen.
Grundsätzlich seien die von der EU-Kommission genannten Ziele des
Richtlinienvorschlages, mehr Auswahl an Dienstleistern, eine bessere
Qualität und niedrigere Preise durch mehr Wettbewerb zu erreichen, zu
begrüßen. Allerdings führten die dazu vorgeschlagenen Wege im
Gesundheitswesen gerade nicht zu diesem Ziel. Durch die Richtlinie
drohe in Deutschland vielmehr Wettbewerb zu Lasten von Qualität und
Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen.
Auf den ersten Blick sichtbar seien dabei die Risiken des
vorgesehenen Herkunftslandprinzips für vorübergehend in einem anderen
EU-Land erbrachte Dienstleistungen. Danach könnte zum Beispiel ein
spanischer oder griechischer Arzt vorübergehend in Deutschland seine
Dienste anbieten. Die Qualität seiner Arbeit sei dann aber nach den
Rechtsvorschriften seines Heimatlandes geregelt und solle auch nur
von seinen Heimatbehörden überwacht werden. In der Folge gäbe es in
Deutschland kein einheitliches Recht mehr, sondern bei 25 Mitgliedern
der EU dann 25 verschiedene Qualitätsstandards und Haftungsregelungen
für medizinische Dienstleister in Deutschland. Weil dies zum
Unterlaufen der deutschen Qualitätsstandards sowie zu einer
wettbewerblichen Benachteiligung deutscher Anbieter gegenüber ihren
ausländischen Mitbewerbern im deutschen Gesundheitswesen führen
würde, lehnt die AOK das Herkunftslandprinzip ab.
Schösser wies auch darauf hin, dass der Richtlinienvorschlag
vorschreibe, alle nationalen Bestimmungen, die
Genehmigungserfordernisse enthalten, durch die EU-Kommission und die
Mitgliedstaaten auf Diskriminierungsfreiheit, zwingende Notwendigkeit
und Verhältnismäßigkeit zu evaluieren. Damit schaffe sich die
EU-Kommission neue massive Zugriffs- bzw. Eingriffsmöglichkeiten auf
die deutschen Regelungen zur Zulassung und Bedarfsplanung im
Gesundheits- und Pflegesektor und auf die deutsche Regelung, dass
Kranken- und Pflegekassen nicht-gewinnorientierte Körperschaften des
öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung sein müssen. In der Folge
könne die EU-Kommission, unterstützt von einer auf diesen
Richtlinienvorschlag aufbauenden Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofs, eine Deregulierung und Privatisierung der nationalen
gesetzlichen Gesundheitssysteme durchsetzen. Derartige Zugriffs- und
Eingriffsmöglichkeiten der EU-Kommission lehne die AOK entschieden
ab. Daher spreche sich der AOK-Bundesverband nachdrücklich dafür aus,
den Gesundheits- und Pflegesektor aus dem Anwendungsbereich des
Richtlinienvorschlags durch einen Artikel im Gesetzestext der
Richtlinie explizit auszuklammern.

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