Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)
FBW-Prädikate mit klassischer Mischung
Wiesbaden (ots)
Eine geradezu klassische Mischung von Filmprädikaten hat die unabhängie Jury der Filmbewertungsstelle Wiesbaden (FBW) bei ihrer Juni-Sitzung vergeben. Ausgezeichnet wurden sensible Filme wie Am Ende kommen Touristen, Nichts als Gespenster oder Die Anruferin, die glänzend gelungene Walser-Verfilmung Das fliehende Pferd, Familienfilme wie Shrek der Dritte und der neue Harry Potter, aber auch interessante Kurzfilme. Besonders bedauerlich ist, dass die Kinorealität für den 58 Minuten langen Studenten-Oscar "Nimmermeer" kam eine Vorführchance bietet. Von rund 100 pro Jahr mit einem FBW-Prädikat ausgezeichneten Langfilmen gehören rund 50 zum Mainstream, die andere Hälfte zum Autorenfilm, darunter auch rund 20 Dokumentarfilme und etwa 15 Filme noch ohne Verleih. So wie dieses Mal die Wüste-West-Produktion "Die Anruferin" mit der bundesfilmpreis-reifen Valerie Koch und Esther Schweins.
Prädikat Besonders wertvoll:
Irina Palm FBW: Besonders wertvoll - Drama - GB, D, F, B, L 2007 - 103 Min - FSK: frei ab 12 Jahren, ffr - Regie: Sam Gabarski - mit: Marianne Faithfull, Miki Manojlovic, Kevin Bishop u. a.
In wunderbarer Weise gelingt dem sensiblen und humorvollen Film die Balance zwischen dem traurigen Anlass der Geschichte (der tödlichen Erkrankung des Enkels) und der unkonventionellen Entwicklung der Großmama zur hochbegehrten Sexdienstleisterin. Marianne Faithfull verbindet in ihrer Darstellung schüchternes Selbstbewusstsein, reiche Lebenserfahrung und erotische Neugier zu faszinierender Leinwandpräsenz. Dies ist perfekte Kinounterhaltung, auch für ältere Semester geeignet. Ein Film fürs Herz.
Kinostart: 14. Juli 2007 (X-Verleih)
Shrek der Dritte FBW: Besonders wertvoll - Animationskomödie - (Shrek the Third) - USA 2007 - 93 Min - FSK: ohne Altersbeschränkung, ffr - Regie: Andrew Adamson
Die Fortsetzung der Fortsetzung der Originalgeschichte übertrifft mit ihrem nahezu überbordenden Ideenreichtum und hohem technischen Standard locker die eingeschränkten Erwartungen gegenüber Sequels. Hier wird tatsächlich Neues geboten, zusätzliches Personal eingeführt und das alte selbstironisch durch den Kakao gezogen. Der respektlosen, reich mit Zitaten gespickten Märchenpersiflage gelingt es, viele Alters- und Zuschauergruppen auf unterschiedlichstem Niveau anzusprechen und zu unterhalten. Ein echter Familienfilm, der sogar beim zweiten Sehen noch Überraschungen und Details bereit hält - etwa das Schnuller-Tattoo auf dem Oberarm von Rumpelstilzchen.
Kinostart: 21. Juli 2007 (UPI)
Harry Potter und der Orden des Phoenix FBW: Besonders wertvoll - Fantasy-Abenteuer - (Harry Potter and The Order of the Phoenix) Fantasy-Abenteuer - USA/GB 2007 - 138 Min - FSK: frei ab 12 Jahren, ffr - Regie: David Yates - mit: Daniel Radcliffe, Rupert Grint, Emma Watson, Helena Bonham Carter, Ralph Fiennes, Alan Rickham, Emma Thompson u. a.
Spannend und anrührend zugleich bietet der fünfte "Harry Potter"-Film bestes britisches Erzählkino, setzt nicht unbedingt die Kenntnis der früheren Filme oder der Bücher voraus und erfüllt gleichwohl die Erwartungen der detailkundigsten Fans aufs Beste. Eine reife, überzeugende Leistung mit ausgefeilten Charakteren, viel Witz, großen Kinobildern und auch ernsthaften und erwachsenen Untertönen. Wer bisher hochnäsig auf Distanz zu Harry Potter war, sollte sich nun selbst ein Bild machen. Es wartet ein visuell aufregendes Universum, es wartet ein anregender Film. Kinostart: 12. Juli 2007 (Warner)
Am Ende kommen Touristen FBW: Besonders wertvoll - Spielfilm - Deutschland 2007 - 85 Min - FSK: ohne Altersbeschränkung, ffr - Regie: Robert Thalheim - mit: Alexander Fehling, Piotr Rogucki, Ryszard Roncezewski u. a.
Filmemachen nach Auschwitz? Dies ist kein weiterer politisch-korrekter Film im Gestus offizieller Gedenktage, sondern eine wunderbar persönliche und sensible Annäherung an das heikle Thema Auschwitz im Erlebnisfeld einer jüngeren Generation. Eine sehr gute Filmgeschichte mit innerer Spannung, genauen Alltagsbeobachtungen, ganz ohne Effekthascherei und Betroffenheitsduktus. Ein Film der Beunruhigung, ungemein beeindruckend, offen, niemals belehrend. Zu Recht auch dieses Jahr in Cannes international aufgefallen und gewürdigt.
Kinostart: 16. August 2007 (X-Verleih)
Ein fliehendes Pferd FBW: Besonders wertvoll - Beziehungskomödie - Deutschland 2007 - 97 Min - FSK: frei ab 12 Jahren, ffr - Regie: Rainer Kaufmann - mit: Ulrich Noethen, Katja Riemann, Ulrich Tukur, Petra Schmidt-Schaller u. a.
Ein deutscher Film, der Spaß macht. Ein Feuerwerk knallscharfer Dialoge, ein glänzendes Schauspielerensemble, das sichtlich Lust am Spielen hat. Intelligentes Erzählkino, auch für Midlife-Crisis geschüttelte Best Ager, die Adaption der 30 Jahre alten Novelle von Martin Walser zeigt sich erstaunlich aktuell und trendy. Das emotionale Dauergewitter wird verstärkt durch die lauernde Kamera Klaus Eichhammers und die von Annette Focks komponierte pfiffige Filmmusik. Eine überzeugend reife Leistung, Regisseur Rainer Kaufmann kann stolz sein. Sogar Walser ist zufrieden, wie man hört.
Kinostart: 20. September 2007 (Concorde)
Die Anruferin FBW: Besonders wertvoll - Drama - Deutschland 2007 - 81 Min - FSK: noch nicht bekannt - Regie: Felix Randau - mit: Valerie Koch, Esther Schweins, Franziska Ponitz u. a.
Wohl die Kino-Entdeckung dieses Sommers, wenn auch noch ohne Verleih. Eine Kinderstimme am Telefon, die Zuspruch und Mitleid einfordert und sanft erzwingt. Eine Frau mit hartem Job, die ihre Mutter pflegt und eine Freundin "findet". Eine virtuose Gratwanderung, psychologisch stimmig, präzise inszeniert, spannend und überraschend. Drei überaus komplexe Frauenrollen, drei große Darstellerinnen. Thriller, schwarze Beziehungskomödie, schizophrene Fallstudie? Wenig Vergleichbares findet sich im jüngeren deutschen Film. Diesen Regisseur muss man sich merken: Felix Randau. Ebenso die Kamera: Jutta Pohlmann.
Kontakt: Wüste Film West, www.wuestefilm.de
Prädikat Wertvoll:
Mimzy - Meine Freundin aus der Zukunft FBW: Prädikat Wertvoll - Kinderfilm - (The Last Mimzy) - Kinderfilm - USA 2007 - 96 Min - FSK: noch keine Angaben - Regie: Bob Shaye - mit: Joely Richardson, Timothy Hutton, Michael Clarke Duncan, Rainn Wilson u. a.
Ein Märchen aus der Zukunft, das im Heute spielt. Nur ein aufmerksames, sensibles Geschwisterpaar kann eine Katastrophe in der Zukunft aufhalten und so die Welt verändern. Die jungen Darsteller sind überzeugend. Wertvoll machen den Film auch seine faszinierenden "visual effects", die der Adaption einer in den USA sehr bekannten Science-Fiction-Kurzgeschichte von Lewis Padget (sie erschien schon 1943) einen sinnlichen Zauber verleihen. Die aktuelle US-amerikanische Paranoia ist in die Geschichte der beiden hochbegabten Kinder integriert, die plötzlich fremdartige Kräfte entfalten.
Kinostart: 9. August 2007 (Warner)
Nichts als Gespenster FBW: Prädikat Wertvoll - Beziehungsfilm - Deutschland 2007 - 124 Minuten - FSK: ohne Altersbeschränkung, ffr - Regie: Martin Gypkens - mit: Maria Simon, August Diehl, Brigitte Hobmeier, Jessica Schwarz u. a.
Der "Sound einer Generation", eine erstaunlich feinfühlige Adaption von Erzählungen der Erfolgsautorin Judith Hermann. Geschichten über Reisen und Reisende, all die schönen Orte der Erde, im Gepäck aber Krisen und Frustrationen. Ein Suchen ohne Ziel, ein Reisen ohne anzukommen. Lebenssituationen eben. Nüchtern ist die Cinemascope Kamera, komplett komponiert die kluge Musik, mutig-beherzt die Regie (Martin Gypkens). Geradezu spektakulär ist das Ensemble der hier versammelten jungen Darsteller-Generation: von August Diehl bis Wilke Wotan Möhring,von Fritzi Haberlandt bis Jessica Schwarz.
Kinostart: 22. November 2007 (Senator)
Kurzfilme des Monats Juni 2007:
Prädikat Besonders wertvoll
Nimmermeer FBW: Besonders wertvoll - Studenten-Oscar 2007 - Kinderfilm - Deutschland 2006 - 58 Min - FSK: frei ab 12 Jahren, nffr - Regie: Toke Constantin Hebbeln - mit: Leonard Proxauf, Rolf Becker, Sylvester Groth, Tom Lass, Ursula Graeff u. a.
Im doppelten Wortsinn fabel-haft, ein Genuss für alle, die das Kino lieben - und die über das Kino hinaus von Bildern geprägt sind. Der Studenten-Oscar 2007, die höchste Auszeichnung, die ein junger Filmemacher erringen kann, gebührt wahrlich Regisseur Toke Constantin Hebbeln für diesen einzigartigen, nicht hoch genug zu preisenden 58minütigen Kurzfilm. "Nimmermeer" ist ein Märchen, das Kinder wie Erwachsene gleichermaßen anrühren und in seinen Bann ziehen kann. Der Film beeindruckt und bezaubert: mit opulenter Ausstattung, mit phantasievollen Bildern, mit exzellenter Kameraarbeit, mit der Art, wie er Licht und Landschaft zeigt. Er bezaubert, weil sich all dies harmonisch vereint - zu Kinopoesie, der die Darsteller bewegend Gesicht verleihen.
Kontakt: www.frisbeefilms.com, Manuel Bickenbach
Tagebuch einer perfekten Liebe FBW: Besonders wertvoll - Animations-Kurzfilm - Deutschland 2007 - 14 Min - FSK: noch nicht bekannt - Regie: Sebastian Peterson - mit: Sebastian Peterson, Marion Simon, Petra Barthel, Krzysztof Pakanski, Thomas Kästner u. a.
Grob herausgerissene und geschnipselte Details aus Zeitschriften, Anzeigen und Modekatalogen, virtuos mit dem guten alten Legetrick zu frechen Fotocollagen montiert, erzählen die kolportagehafte, herzwärmende Story eines Verlierers, der einen Superjob und seine große Liebe findet. Der begeisternd reizvolle Kurzfilm weckt Emotionen und ironisiert sie gleichzeitig, findet eine perfekte Balance. Sogar "Blade Runner" steht hier schmunzelnd Pate.
Kontakt: sebastianpeterson@web.de
Wir sind dir treu FBW: Besonders wertvoll - Dokumentar-Kurzfilm - Deutschland/Schweiz 2005 - 9 Min - FSK: ohne Altersbeschränkung, ffr - Regie: Michael Koch
Welche Kraft! Regisseur Michael Koch gelingt in seinem formbewussten, kurzen und klaren Film ein konzentrierter, verdichtender Blick von verblüffender Strenge und Assoziationskraft. Weit über das beobachtete Fußballspiel hinaus weist diese schöne filmische Arbeit, die jeden Blick auf Ball und Spiel verweigert, stattdessen neun Minuten lang ausschließlich die Fans des FC Basel 1893 und ihren Einpeitscher zeigt. Eine sehenswerte filmische Erfahrung.
Kontakt: Kunsthochschule für Medien, Köln / dilger@khm.de
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