ZEIT-Kolumne: Macher & Märkte
Plaudernder Franzose
Hamburg (ots)
Hat er oder hat er nicht? Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf ermittelt seit ein paar Tagen gegen den ehemaligen Mannesmann-Chef Klaus Esser: Er steht unter dem Verdacht, seinen Widerstand gegen die Übernahme von Mannesmann durch den britischen Konkurrenten Vodafone aufgegeben zu haben, nachdem ihm 60 oder vielleicht sogar 100 Millionen Mark Abfindung versprochen wurden.
Details zu den spannenden Wochen im vergangenen Jahr breitete der Franzose Jean-Marie Messier, Chef des Medienkonzerns Vivendi-Universal, vor kurzem in einem Buch aus. Mit ihm hatte Esser über eine Allianz verhandelt, die die Vodafone-Übernahme hätte verhindern können.
Die Fusion zwischen Franzosen und Deutschen sei perfekt gewesen, nur die Unterschriften hätten gefehlt. Doch dann habe Esser im Januar 2000 etwas "Shakespearhaftes" bekommen, schreibt Messier. "Immer zögerlicher, introvertierter und in seinem Team isolierter" sei Esser gewesen. "Er schaffte es nicht mehr, sich wie ein Chef aufzuführen", heißt es in dem Buch j6m.com. "Er dachte, nach Ausflüchten suchen zu können."
Bis zum 22. Januar 2000 sei die Fusion mit Mannesmann unter Dach und Fach gewesen. Doch an jenem Samstag habe Messier in seinem Landhaus bei Rambouillet in der Nähe von Paris ein Fax erhalten. Darin habe Esser einen schon lange beschlossenen essenziellen Baustein des Abkommens wieder infrage gestellt: die paritätische Besetzung des Exekutivkomitees. Esser, so die Absprache, sollte sich um die Telefonie kümmern, Messier ums Internet. Als Sitz für die e der Mannesmann-Chef seinen französischen Partner plötzlich um ein Uhr nachts im Büro angeufen Telekom-Sparte sei Düsseldorf geplant gewesen. Die neue Firma wäre eine Gesellschaft französischen Rechts geworden.
Mit einem Mal sei Esser auf die Mehrheit aus gewesen. Am 27. Januar schließlich habe er gesagt: "Ich muss darüber noch einmal schlafen. Ich rufe Sie vielleicht morgen zurück." Messier habe gespürt, dass die unter dem Decknamen Millennium laufende Fusion in diesem Moment gestorben war. Dies und weitere Details über den Sinneswandel von Klaus Esser wird Messier vielleicht als Zeuge vor Gericht noch einmal ausführlicher erzählen dürfen.
Diese PRESSE-Vorabmeldung aus der ZEIT Nr. 12/2001 mit Erstverkaufstag am Donnerstag, 15. März 2001, ist unter Quellen-Nennung DIE ZEIT zur Veröffentlichung frei. Der Wortlaut des ZEIT-Textes kann angefordert werden.
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