DIE ZEIT: Bonner Staatsanwaltschaft will Ermittlungsverfahren wegen Daten- und Aktenvernichtung im Kanzleramt einstellen - Zweifel an zentraler und vorsätzlicher Datenlöschung
Hamburg (ots)
Die Bonner Staatsanwaltschaft bezweifelt nach Informationen der Wochenzeitung DIE ZEIT, dass im Kanzleramt kurz vor dem Regierungswechsel 1998 zwei Drittel aller Daten zentral und vorsätzlich gelöscht wurden. Sie will deshalb das Ermittlungsverfahren gegen zwei frühere Spitzenbeamte des Kanzleramtes wegen des Verdacht der strafbaren Datenlöschung mangels Tatverdacht einstellen. Das schreibt die Staatsanwaltschaft in einem 104 Seiten langen Vermerk, über den DIE ZEIT in ihrer jüngsten Ausgabe berichtet.
Das Ausmaß der Datenlöschungen und Aktenvernichtungen kurz vor dem Regierungswechsel hatte der FDP-Politiker Burkhard Hirsch im Auftrag der rotgrünen Regierung in einem Disziplinarverfahren ermittelt. Nach seinen Erkenntnissen war insbesondere der Leitungsbereich des Bundeskanzleramtes daten- und aktenrein übergeben worden. Es fehlten nach Hirschs Ergebnissen insbesondere der größte Teil jener Akten, die den Verdacht möglicher Bestechlichkeit der Regierung Kohl hätten erhellen können: Leuna, Fuchs-Panzer, Airbus, Eisenbahnerwohnungen. Dazu alle Doppel im Computer, insgesamt 3 Megabyte Daten, wie ein Gutachten des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) feststellte.
Dieses Gutachten und die Folgerungen daraus zieht nun die Bonner Staatsanwaltschaft in Zweifel. Dass die Datenlöschung zentral erfolgt sei, sei nur eine Vermutung. Das Ausmass der Löschungen sei unklar. Die Daten, entsprechend rund 1,3 Millionen Blatt Papier, könnten aus Versehen verschwunden sein. Vorsatz sei nicht belegbar. Deshalb will die Staatswaltschaft das Ermittlungsverfahren nach Paragraph 170 der Strafprozessordnung einstellen.
Nach Informationen der ZEIT kommt die Staatsanwaltschaft zu diesem Schluss ohne überhaupt selbst weitergehende Ermittlungen angestellt zu haben. Nach ZEIT-Recherchen wurde allein der Hirsch-Bericht interpretiert, es wurde keinerlei eigenständige Ermittlungstätigkeit entfaltet, es wurden keinerlei Zeugen vernommen, es wurde auch kein neues technisches Gutachten in Auftrag gegeben, um die Erkenntnisse des amtlichen BSI-Gutachtens zu erschüttern.
Diese PRESSE-Vorabmeldung aus der ZEIT Nr. 15/2001 mit Erstverkaufstag am Donnerstag, 05. April 2001, ist unter Quellen-Nennung DIE ZEIT zur Veröffentlichung frei. Der Wortlaut des ZEIT-Textes kann angefordert werden.
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