DIE ZEIT: Elf-Manager haben Vorwürfe der Bestechlichkeit von Deutschen in der Leuna-Affäre vor Pariser Gericht präzisiert
Hamburg (ots)
In Vernehmungen durch Pariser Untersuchungsrichter haben Manager des französischen Öl-Konzerns Elf den Verdacht erhärtet, beim Kauf der Raffinerie Leuna durch Elf seien Bestechungsgelder nach Deutschland geflossen. Die Vernehmungen fanden im Jahr 2000 statt, waren bislang aber unbekannt. DIE ZEIT druckt in ihrer jüngsten Ausgabe erstmals Wortlautpassagen der Aussagen.
Der frühere Leiter der für "Sonderzahlungen" zuständigen Abteilung bei Elf, Jean-Claude Vauchez, gab zu: "Zum Zeitpunkt des Leuna-Geschäftes haben wir Spot'-Zahlungen zugunsten deutscher Persönlichkeiten" geleistet. Pro Zahlung seien rund 500000 Schweizer Franken geflossen. "Die Anzahl der Empfänger war sehr beschränkt, vielleicht drei oder vier", sagte Vauchez einer Untersuchungsrichterin. An wen gezahlt wurde, will Vauchez vergessen haben. Er sagte aber dies: "Ich erinnere mich nur an einen Vornamen: Agnes." Ob damit die in die Affäre verwickelte ehemalige Staatssekretärin im Verteidigungsministerium, Agnes Hürland-Büning (CDU) gemeint war, erfragte die Untersuchungsrichterin nicht.
Der frühere Elf-Manager André Tarallo will damals erfahren haben, dass sich die Provisionen in Höhe von gut 80 Millionen Mark "aus Ansprüchen der deutschen politischen Behörden ergaben". Als der Untersuchungsrichter wissen wollte, welche Behörden gemeint seien, sagte Tarallo, man habe ihm gesagt, "dass ich große Gefahr gelaufen wäre, wenn mir die Identität der fraglichen Personen bekannt geworden wäre." Dann aber präzisierte er: "Soweit ich verstanden habe, kamen die Ansprüche von der CDU."
Dagegen bestritt der frühere Elf-Manager Alain Guillot, dass es darum gegangen sei, "die Kasse irgendeiner politischen Partei zu versorgen". Das "Lobbying" habe vielmehr "politischen Behörden" gegolten. Und: "Das Lobbying hatte eindeutig eine politische Konnotation." Den Grund der Zahlungen beschrieb Guillot so: "Wir hatten mehrere Dutzend Probleme jeder Art zu lösen, sowohl in Berlin, dem Sitz der Treuhand, wie auch bei den Verwaltungsbehörden der Länder des Ostens und in der Bundesrepublik".
Diese "Hindernisse", die "zu überwinden" waren, beschrieb in seiner Vernehmung der ehemalige Elf-Chef Loik Le Floch Prigent: es sei darum gegangen, rund zwei Millionen Mark Subventionen zu erhalten und Konkurrenz durch den Bau einer Produkten-Pipeline durch Niedersachsen nach Leuna zu verhindern. Ferner wollte Le Floch, wie er vor Gericht sagte, "die deutschen Gewerkschaften dazu bringen, sich mit uns auf einen Prozess einzulassen, der zur Abschaffung von 80 Prozent des Raffineriepersonals führt".
DIE ZEIT druckt exklusiv, was die Staatsanwälte hierzulande seit Monaten stoisch ignorieren und was in keine Ermittlungsakte Eingang gefunden hat. Die Erklärung dieses verwirrenden Geflechts von Holzers Stiftungen, Briefkastenfirmen und Treuhandgesellschaften sowie die Verdachtsmomente, die sich daraus ergeben, haben die Schweizer den Deutschen ebenso geschickt. Weil sich auch dafür keine Staatsanwaltschaft interessiert, hat die ZEIT diese 17 Seiten lange Erläuterung unter www.zeit.de/2001/28/leuna (heute ab 22.00 Uhr) ins Internet gestellt.
Diese PRESSE-Vorabmeldung aus der ZEIT Nr. 28/2001 mit Erstverkaufstag am Donnerstag, 05. Juli 2001, ist unter Quellen-Nennung DIE ZEIT zur Veröffentlichung frei. Der Wortlaut des ZEIT-Textes kann angefordert werden.
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