US-Historiker: Wissenschaftler haben sich ihrer nationalsozialistischen Vergangenheit bis heute nicht gestellt
Hamburg (ots)
Der US-Historiker Mark Walker kritisiert in der ZEIT, dass die meisten deutschen Wissenschaftsdisziplinen ihre Geschichte während der NS-Zeit noch nicht aufgearbeitet haben. Walker untersucht derzeit die Rolle der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG) im Dritten Reich und ist Verfasser des Buches "Die Uranmaschine - Mythos und Wirklichkeit der deutschen Atombombe".
Nach seiner Ansicht haben die meisten Physiker in Deutschland sich während der Nazizeit nur zögerlich mit den Machthabern arrangiert. Sie hätten aber später doch ihr Wirken in den Dienst der Kriegsmaschinerie gestellt, sagt Walker in der ZEIT. "Die DPG hatte Glück, dass es in ihren Reihen keinen Josef Mengele gab. Das Schlimmste, was man sagen kann, ist: Ja, sie haben ihre jüdischen Mitglieder rausgeworfen, und ja, sie haben begeistert die Militarisierung der Grundlagenforschung vorangetrieben. Das kann man heute kritisieren, aber im Vergleich zu anderen Disziplinen sieht es bei den Physikern noch ganz gut aus", sagt der Historiker.
Scharfe Kritik übt Walker an den anderen Verbänden: "Die Chemiker und die Ingenieure warfen sie (ihre jüdischen Mitglieder) öffentlich und mit Begeisterung raus, sobald sie konnten ... Aber die Physiker ignorierten die Situation einfach - bis 1938, als sie schließlich gezwungen wurden, die letzten jüdischen Mitglieder auszuschließen." Die Fachgesellschaften der Ingenieure, Chemiker, Biologen, Ärzte und Mathematiker hätten sich ihrer Vergangenheit bis heute nicht gestellt, kritisiert der Historiker vom Union College in Schenectady (N.Y.).
Das komplette Interview der ZEIT Nr. 10 vom 3. März 2005 senden wir Ihnen gerne zu.
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