"CSU-Landesgruppe
Manuskript der Rede des Vorsitzenden der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, Michael Glos, anlässlich der Debatte zum Jahreswirtschaftsbericht im Deutschen Bundestag 17. Februar 2000"
Berlin (ots)
Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Frei ab Beginn der Rede!
Herr Präsident; meine Damen und Herren!
Die CDU-Spendenaffäre, der Flugskandal in NRW, Hochzeitsfinanzierungen in Niedersachsen und rechtswidrige Parteibeschlüsse der Grünen haben in den letzten Wochen nahezu alles aus der öffentlichen Berichterstattung verdrängt, was eigentlich wichtig gewesen wäre:
- die große Steuerreform, - die Rentenreform, - der geplante Atomausstieg, - die Tarifauseinandersetzungen, - die Schwäche des Euro, - u.s.w.
Das mag diese Bundesregierung und die sie tragenden Parteien freuen, wird dadurch doch von der verheerenden Bilanz der Regierung Schröder abgelenkt. - Der Bundeskanzler wollte sich zu jeder Zeit am Abbau der Arbeitslosigkeit messen lassen. In seiner Amtszeit ist die Arbeitslosenzahl aber um über 328.000 gestiegen. - Die Eingriffe bei den 630-DM-Jobs wurden zum erfolgreichsten Arbeitsplatzvernichtungs-Programm. 700.000 Arbeitsplätze weniger als vor einem Jahr! - Eine echte Rentenreform ist nicht in Sicht, die Abkoppelung der Rentensteigerung von der Lohnentwicklung durch die Regierung Schröder ist reine Willkür. - Eine echte Reform im Gesundheitswesen steht nach wie vor aus. Die jetzige Budgetierung ist nichts anderes als eine Rationierung zu Lasten der Patienten. Deutschland ist auf dem Weg in eine Zwei - Klassen - Medizin. - Die viel gepriesene Ökosteuer hat sich als Rohrkrepierer erwiesen. Sie trägt zur Energieeinsparung nichts bei. Sie dient nur der Abkassiererei. 2 DM pro Liter Benzin sind noch längst nicht das Ende der Fahnenstange. 3 Stufen kommen noch!
Das interessanteste am diesjährigen Jahreswirtschaftsbericht ist das, was gar nicht darin steht! Eines kommt nämlich auf den 91 Seiten des Berichtes überhaupt nicht vor: das Wort Euro-Schwäche. Bundeskanzler Schröder hat am 10. November 1998 im Deutschen Bundestag erklärt: "Wir wollen nicht, dass der Euro deutsch spricht". Mit dieser verräterischen Aussage ist ein verhängnisvoller stabilitätspolitischer Kurswechsel für Deutschland und ganz Europa eingeleitet worden. 15 Monate später ist der fatale Wunsch des Bundeskanzlers bittere Realität geworden. Man könnte beinahe sagen: Der Euro spricht mittlerweile "italienisch":
- 20% Abwertung gegenüber dem Yen. - 13% Abwertung gegenüber dem Pfund. - 16% Abwertung gegenüber dem Dollar. - Mit einem Kurs von 2 DM muss heute so viel für den Dollar bezahlt werden, wie seit über 10 Jahren nicht mehr.
EZB-Präsident Duisenberg hält nationale Preisziele bei anhaltender Euro-Schwäche für gefährdet. Frankreichs Notenbank - Gouverneur Trichet warnt vor einer importierten Inflation. Briten, die wir alle so gern in der Währungsunion haben wollen, gehen mehr und mehr auf Distanz zum Euro. Die Menschen geraten in Sorge um ihr Erspartes. Ein schwacher Außenwert kann sehr schnell auch den Binnenwert einer Währung aushöhlen. Hinzu kommen preistreibende Faktoren wie Ökosteuer und zu hohe Lohnforderungen. Der Preisanstieg hat sich bereits kräftig beschleunigt: Januar 1999 +0,2%; Januar 2000 +1,6%. Tendenz weiter steigend. Im Jahreswirtschaftsbericht heißt es trotzdem verharmlosend: "Die Stabilität des Preisniveaus bleibt ungefährdet." Für mich ist es unabdingbar:
- Die Bundesregierung muss endlich ein klares Signal geben, dass ein starker Euro im ureigensten deutschen und europäischen Interesse ist. - Bei aller verständlichen Freude der Exportbranchen über die künstliche Exportförderung: Auf Dauer verlieren bei einer schwachen Währung alle. - Die Bundesregierung muss auf weitere Schritte bei der Ökosteuer verzichten. Sonst dreht sich das Schwungrad des Preisanstiegs allmählich immer schneller. Deutschland braucht mehr Investitions- und Wachstumsdynamik. Das ist unabdingbare Voraussetzung zur Lösung einer Vielzahl von Problemen
- von der Euro-Schwäche - über die Konsolidierung des Staatshaushalts - und die Rentenreform - bis hin zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.
Der amerikanische Wirtschaftsmotor brummt seit vielen Jahren. In diesem Jahr werden es wieder über 4% reales Wachstum sein.
Viele Länder in der EU verzeichnen kräftige Zuwächse:
- Irland 7,5%, - Luxemburg 4,75%, - Finnland 4,25%, - Spanien und Schweden 3,75%, - Frankreich und Holland 3,5%. - Deutschland hinkt beim Wachstum mit 2,5 % weit hinterher.
Die Arbeitslosigkeit ist 1999 in der EU deutlich gesunken:
- um 2%-Punkte in Spanien, - um 1,4%-Punkte in Irland, - um 1,1%-Punkte in Frankreich, - um 0,8%-Punkte in Holland, Finnland und Dänemark, - um 0,6%-Punkte in Belgien. - Das enttäuschende Ergebnis in Deutschland: +/- 0!
Bundeskanzler Schröder muss sich deshalb fragen lassen, ob das selbsternannte Kernstück seiner Regierungsarbeit nicht längst gescheitert ist: das sogenannte "Bündnis für Arbeit". Die Bündnis-Vereinbarung zwischen Arbeitgebern, Gewerkschaften und Bundesregierung vom 10. Januar war ein einziges Dokument der Beliebigkeit. Selten ist eine Seifenblase schneller geplatzt.
- Erst wird es vom Bundeskanzler als großer Durchbruch in Richtung einer mehrjährigen Beschäftigungspolitik gefeiert. - Wenige Tage später hat sich gezeigt: Alles war nur ein Formel-Kompromiss. Plötzlich keine Spur mehr von mehrjährigen moderaten Lohnabschlüssen. Im Gegenteil: Mit Lohnforderungen von 5,5% besteht die Gefahr, dass weitere Arbeitsplätze vernichtet werden.
- Geradezu verräterisch ist die Schlussfolgerung des Bundeskanzlers: Das Bündnis für Arbeit bringe in diesem Jahr eine Abnahme der Arbeitslosenzahl um 200.000. - Die gleiche Prognose stellt die Bundesanstalt für Arbeit. Allein deshalb, weil weniger Menschen nach Arbeit suchen. - Beides zusammen kann doch nur heißen: Sie erwarten von Ihrer Politik gar nichts. - Für diese Null-Nummer hätte man keine Spitzengespräche, keine Steuerungsgruppe, keine Benchmarking-Gruppe und keine 9 Arbeitsgruppen im Bündnis für Arbeit gebraucht.
Diese Bundesregierung lässt es zu, dass die IG Metall die Bündniserklärungen als Alibi für ihre verstaubten Vorschläge einer Rente mit 60 missbraucht.
- Unsere Arbeitsmarktprobleme lassen sich aber nicht durch Umverteilung vorhandener Arbeitsplätze oder Arbeitszeiten lösen. Wir brauchen stattdessen mehr Wirtschaftsdynamik und mehr Arbeitsplätze. - Gerade für kleine und mittlere Betriebe ist die Erfahrung vieler älterer Arbeitnehmer unverzichtbar. Deshalb ist es unverantwortlich, Ältere in die Rente zu drängen. -Wenn die Jungen *neben ihren eigenen Rentenbeiträgen, *und der notwendigen zusätzlichen privaten Vorsorge *auch noch für die Alten die vorzeitige Rente finanzieren sollen, *ohne Gegenleistung versteht sich, *dann besteht die Gefahr, dass sie aus unserem sozialen Sicherungssystem ausbrechen.
Wir brauchen keine runden Tische in Deutschland, sondern mutige Entscheidungen! Wir brauchen eine Steuerreform aus einem Guss. Hierfür hat die CSU gemeinsam mit der CDU Eckpunkte vorgeschlagen: - Wir brauchen eine deutliche und rasch wirksame Netto-Entlastung von 50 Mrd DM. - Wir brauchen eine Absenkung aller Steuersätze über den gesamten Tarifverlauf. Nur so gibt es Impulse für Wachstum und Beschäftigung. - Wir brauchen Einkommensteuersätze zwischen 15% und 35%. -Der Spitzensteuersatz darf nicht aus ideologischen Gründen tabu sein. Sonst wandern immer mehr leistungsfähige und qualifizierte Kräfte ins Ausland ab. - Ein Bauer kann einen Zaun um seine Hühner ziehen, damit sie ihre Eier nicht beim Nachbarn legen. In der Steuerpolitik hilft nur eines: runter mit den Steuersätzen.
Die Bundesregierung will die Wachstums- und Beschäftigungsprobleme von heute mit den Steuersenkungen von übermorgen lösen. Trippel-Schritte (1999/2000/2001/2003/2005( nehmen einer Steuerreform aber viel von ihrer Wirksamkeit. Kleine/mittlere Betriebe in der Rechtsform eines Personenunternehmens sollen nach dem Willen des Bundesfinanzministers die Entlastung der großen Kapitalgesellschaften finanzieren: - Kapitalgesellschaften sollen in den Genuss des Körperschaftsteuersatzes von 25% kommen. - Kleine/mittlere Betriebe werden mit nur geringfügiger Absenkung der Einkommensteuersätze abgespeist. - Banken und Versicherungen sollen künftig bei Beteiligungsveräußerungen gar keine Steuern mehr zahlen. - Ein Mittelständler dagegen, der seinen Betrieb verkauft, wird kräftig zur Kasse gebeten. - Der "kleine" Aktiensparer wird bei Aktienverkäufen abkassiert. - Der geplante Übergang vom "Vollanrechnungsverfahren" bei der Körperschaftsteuer zum "Halbeinkünfteverfahren" trifft Aktionäre mit niedrigem Einkommen. - Wenn jemals der Vorwurf einer "Umverteilung von unten nach oben" berechtigt war, dann hier! CDU und CSU lehnen die Steuerbefreiung von Veräußerungsgewinnen bei Kapitalgesellschaften strikt ab. - CDU und CSU wollen statt einem Null-Tarif für wenige eine geringere Besteuerung für alle Betriebe. - CDU und CSU wollen für Veräußerungsgewinne bei Beteiligungen an Kapitalgesellschaften eine steuerfreie Rücklage von 60%. - Das würde eine durchschnittliche Steuerbelastung incl. Gewerbesteuer von 16% bis 17,5% bedeuten.
Ein weiterer Bereich, über den sich der Jahreswirtschaftsbericht mit Täuschen und Tarnen hinwegmogelt, ist die Energiepolitik: Der von Rot-Grün angestrebte Verzicht auf Kernenergie wird als "Einstieg in eine zukunftsfähige Energiepolitik" verharmlost. Kein Wort von den negativen Folgen, die mit einem Verzicht auf Kernenergie für den Standort Deutschland verbunden wären - egal ob man einen "Ausstieg im Konsens" oder ein "Ausstiegsdiktat per Gesetz" wählt:
- Verzicht auf Kernenergie bedeutet Arbeitsplatzverluste in der Energiewirtschaft und im Anlagenbau. - Verzicht auf Kernenergie bedeutet steigende Strompreise und Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit der stromverbrauchenden Industrie. - Verzicht auf Kernenergie bedeutet stärkere Abhängigkeit von Energieimporten. Dadurch wird auf Dauer die außenpolitische Handlungsfähigkeit Deutschlands eingeschränkt. - Verzicht auf Kernenergie bedeutet einen technologischen Fadenriss in einer wichtigen Zukunftsbranche. Nachwuchswissenschaftler und Ingenieure wandern ab. - Verzicht auf Kernenergie bedeutet geringere weltweite Reaktorsicherheit, wenn Deutschland sich aus der Kernenergie zurückzieht. - Verzicht auf Kernenergie bedeutet Nicht-Einhaltung der internationalen Klimaschutzverpflichtungen. Rot-grüne Politik führt zu höheren CO2-Emissionen, zu Treibhauseffekten und zu mehr Naturkatastrophen. - Und dies alles, obwohl trotz Ausstiegs im liberalisierten europäischen Energiemarkt sicher nicht weniger Atomstrom im deutschen Stromnetz fließen wird als bisher. Spätestens seit der Übernahme der EnBW (Energieversorgung Baden-Württemberg( durch Electricité de France ist das ganz unvermeidlich.
CDU und CSU werden Ihren Ausstiegsplänen in Bundestag und im Bundesrat klar widersprechen.
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