Der Tagesspiegel

Der Tagesspiegel: Visa-Affäre: Falsche Vorwürfe der Kölner Justiz an Auswärtiges Amt

03.05.2005 – 20:29

Berlin (ots)

Berlin - Aus der Affäre um die Visavergabe in Kiew
und das Auswärtige Amt droht nun eine Affäre für die Kölner Justiz zu
werden. Nach der Aussage der früheren Botschaftsmitarbeiterin Klara
Hoppmann vor dem Untersuchungsausschuss in Berlin am Montag mehren
sich Hinweise, das Urteil des Landgerichts Köln beruhe in einem
wichtigen Punkt nicht auf Tatsachen. Dabei geht es um die
Feststellung im Urteil, Angaben des Auswärtigen Amts zu Morddrohungen
gegen Hoppmann seien falsch, denn „die Zeugin selbst wusste hiervon
nichts". Hoppmann widersprach dieser Darstellung ihrer damaligen
Zeugenaussage jetzt vor dem Ausschuss in Berlin - doch die Richter
hatten die Passage in ihr Urteil aufgenommen, obwohl sie es
möglicherweise besser wussten.
Das Kölner Urteil vom Februar 2004 gilt als Auslöser der Visa-
Affäre. Der Vorsitzende Richter Ulrich Höppner hatte dem Außenamt
eine Mitschuld an der Schleuserkriminalität gegeben und deshalb die
Strafen der Angeklagten gemildert. Höppner warf der Behörde zudem
eine „Hinhaltetaktik" vor, weil sie die Aussagegenehmigung für die
Botschaftsmitarbeiterinnen verzögert hätten, im Falle Hoppmann mit
der „falschen" Begründung, sie werde bedroht.
Hoppmann hatte aber bei ihrer Vernehmung vor dem Kölner Gericht
die Morddrohungen gegen sie ausdrücklich erwähnt. Vor dem
Visa-Ausschuss sagte sie jetzt, sie habe die Morddrohung jedenfalls
„zu keinem Zeitpunkt abgestritten", sie hatte sogar noch das Datum
des Telefonanrufs im Juli 2003 präsent, als ein fremder Anrufer
drohte, sie werde wegen der neuerdings wieder strikteren Visapraxis
„verunglücken". Dass vor dem Kölner Gericht darüber gesprochen wurde,
geht auch aus Mitschriften von Beamten des Bundesgrenzschutzes
hervor, die das Verfahren beobachtet hatten. Zudem haben sich zwei
der Richter, Höppner und sein Kollege Wolfgang Schmitz-Justen, bei
ihren Vernehmungen vor dem Visa-Ausschuss im März dieses Jahres an
eine entsprechende Aussage erinnert. Zur Morddrohung sagte Höppner:
„Wenn ich mich jetzt (…) daran erinnere, meine ich, dass sie
(Hoppmann - die Redaktion) in diese Richtung etwas gesagt hat. Ich
meine, dass wir ihr sogar vorgehalten haben: Da besteht doch jetzt
ein Widerspruch." Schmitz-Justen sagte, zwar er erinnere sich „nicht
konkret", man habe sich das aber „sicherlich als Merkpunkt
aufgeschrieben" und es würde ihn „sehr wundern, wenn wir nicht in der
Sitzung auf diesen Punkt eingegangen wären".
Wenn sich die Richter ein Jahr nach dem Prozess noch an die
Morddrohung erinnern - warum haben sie sich nicht unmittelbar danach
an diese Aussage Hoppmanns erinnert, beim Abfassen des Urteils? Im
Berliner Ausschuss wurde der Widerspruch nicht näher erläutert, und
ein Protokoll der Aussage Hoppmanns vor dem Landgericht existiert
nicht, weil solche Protokolle nur an Amtsgerichten üblich sind. Der
Grüne Jerzy Montag hatte bereits eine „überschießende Innentendenz"
des Urteils kritisiert - ein juristischer Fachbegriff, der hier eine
mögliche Parteinahme des Gerichts andeuten soll.
Juristische Konsequenzen hat die offenbar fehlerhafte Feststellung
im Urteil nicht. Die Passage ist ein so genanntes „obiter dictum",
eine Randbemerkung des Gerichts, die nicht zu den tragenden
Urteilsgründen gehört. Für eine Revision vor dem Bundesgerichtshof
hat sie deshalb keine Bedeutung.
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