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Börsen-Zeitung: Überzogene Klagen, Kommentar von Stephan Lorz zur Tarifforderung der IG Metall

Frankfurt (ots)

Es gehört zu den Tarifritualen, dass nach einer
Lohnforderung seitens der Gewerkschaften - egal wie sie auch ausfällt
- sogleich die Schar der Arbeitgeber Weltuntergangsstimmung 
verbreitet. Sie warnen vor einer verschlechterten 
Wettbewerbsposition, dem Abwürgen der Konjunktur und dem Verlust von 
Arbeitsplätzen. Dabei ist längst klar, dass die von der IG Metall 
jetzt geforderte Lohnerhöhung von 6,5% ohnehin nicht im 
Tarifabschluss stehen wird. Erfahrungsgemäß kommt immer ein Wert 
etwas über der Hälfte der Forderung heraus. Wegen der Unzufriedenheit
an der Gewerkschaftsbasis mag es diesmal etwas mehr sein. Ob gleich 
eine Vier vor dem Komma stehen wird, ist indes fraglich.
Die laute Klage der Arbeitgeber über die "überzogene 
Tarifforderung" ist inhaltlich nicht sehr überzeugend. Stets haben 
sie auf die Lohnformel "Produktivitätsentwicklung plus 
Inflationszuschlag" verwiesen, wenn es um ihre Forderungen nach 
Lohnmäßigung ging. In den vergangenen Jahren nutzten die 
Tarifparteien den Verteilungsspielraum denn auch nicht aus. Wenn sich
die Zeiten bessern, so hieß es damals, sei wieder ein größerer 
Schluck aus der Pulle drin, was letztlich - und für diese 
Einschätzung muss man kein Keynesianer sein - auch der noch 
zurückhaltenden privaten Nachfrage in Deutschland zugute käme.
Für das laufende Jahr reicht der Verteilungsspielraum in der 
Metallbranche nun wirklich dicht an die 4% heran. Bei Abschlüssen bis
zu 3,5% wäre man also locker auf der sicheren Seite. Angesichts der 
phänomenalen Gewinnentwicklung in den vergangenen zwei Jahren ist 
auch das Geld da, mit dem die Lohnsteigerungen finanziert werden 
können. Bei den eigenen Gehältern haben sich die Vorstände ja auch 
nicht zurückgehalten.
Alles Schnee von gestern, tönen jetzt die Arbeitgeber. 2007 
verspricht kein so gutes Jahr zu werden wie 2006. Doch auf diese 
Weise wurden die Arbeitnehmer schon bei der vorigen Tarifrunde 
abgespeist. Die Arbeitgeber hielten den damaligen Abschluss von 3% 
für angemessen. Dann zog die Konjunktur aber erst so richtig an. 
Trotzdem machten nur 10% der Unternehmen nach Gewerkschaftsangaben 
von der auch damals schon vereinbarten Zusatzzahlung Gebrauch. Kein 
Wunder, dass die Arbeitnehmervertreter nun dem Arbeitgeberangebot 
eines Konjunkturzuschlags mit Argwohn begegnen.
(Börsen-Zeitung, 7.2.2007)

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