Rheinische Post: Kohls unfaire Kritik an Merkel
Düsseldorf (ots)
Ein Kommentar von Helmut Michelis:
Wenn der Kanzler der Einheit das Wort ergreift, hört ihm die Öffentlichkeit zu. Diesmal hat er die renommierte Fachzeitschrift "Internationale Politik" gewählt, um seine Fundamentalkritik gegen seine Ziehtochter und Nach-Nachfolgerin vorzutragen. Doch Kohl ging es offenbar nicht so sehr um Inhalte, sondern um Revanche dafür, dass sich Merkel von ihm 1999 so klar absetzte. Sonst hätte er sich von Schröders US-Kritik im Gefolge des Irak-Kriegs genauso absetzen müssen. Kohl nutzt vor allem die augenblickliche Schwäche der deutschen Regierungschefin. Nur weil Merkel mit dem amerikanischen Präsidenten Obama fremdelt und den französischen Präsidenten Sarkozy nicht immer versteht, riskiert sie weder die transatlantische Partnerschaft noch die deutsch-französische Freundschaft. Wenn es um den Euro geht, kooperieren Deutsche und Franzosen wie zu Kohls Zeiten. Und politisch kann sich Obama immer auf die mächtigste Frau in Europa verlassen. Merkel stellt die deutsche Führung nicht heraus. Die anderen Nationen wissen das zu schätzen. Dass sie die Rettung des Euro zu ihrem wichtigsten Politik-Ziel gemacht hat, darüber gibt es bei denen, die sie kennen, keinen Zweifel. Am Euro hängt inzwischen auch ihr eigenes politisches Schicksal. Die vernichtende Kritik Kohls ist deshalb unangebracht.
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