Lausitzer Rundschau: Wieder einer weniger Merkel setzt Röttgen den Stuhl vor die Tür
Cottbus (ots)
Angela Merkel ist oft genug Zögerlichkeit vorgeworfen worden. Schlimmer noch, Führungsschwäche. Dass sie lieber laviert, als einen klaren Strich zu ziehen. Dass sie zehnmal besser im Moderieren als im Regieren ist. Solche Geschichten müssen nun wohl neu geschrieben werden. Der Rausschmiss von Norbert Röttgen aus der Berliner Minister-Riege ist nicht nur eine Zäsur im Politikstil der Kanzlerin. Er zeigt auch, wie mies es um die schwarz-gelbe Koalition im Allgemeinen und um die CDU im Besonderen bestellt ist. Kein Zweifel, Merkel musste handeln. Und sie hat richtig gehandelt. In Erwartung eines fürchterlichen Wahldebakels der Union in Nordrhein-Westfalen hatte Röttgen die Kanzlerin kurz vor Toresschluss persönlich dafür in Mithaftung genommen, als er das Votum plötzlich zur Abstimmung über deren Europa-Politik erklärte. Merkel wollte also auch Schaden von sich selbst abwenden. Fest steht außerdem, dass Röttgen zuletzt immer weniger in der Lage schien, die Energiewende zur Zufriedenheit der Regierungschefin zu organisieren. Trauriger Höhepunkt war sein Missmanagement bei der Solarförderung, das auch die eigenen Truppen im Bundesrat gnadenlos abgestraft hatten. Wenn man bedenkt, was diese Koalition schon vorher alles vermasselt hat beziehungsweise noch zu vermasseln droht - Steuersenkung, Krippenausbau, Vorratsdatenspeicherung etc. - dann war das zweifellos das Letzte, was Merkel noch gebrauchen konnte. Einfach kurzen Prozess zu machen ist sicher nicht ihre Art. Aber offenkundig ließ ihr Röttgen keine andere Wahl. Merkel nimmt sogar in Kauf, dass der für sie ärgerliche Eindruck entsteht, Röttgen sei wegen der fernsehöffentlichen Standpauke von CSU-Chef Horst Seehofer geopfert worden. Als ob Merkel jemand wäre, der sich Seehofers Druck beugt. Für die CDU selbst ist das politische Aus von Röttgen freilich ein harter Schlag. Immerhin galt der Rheinländer als "Muttis Klügster" mit der Lizenz, sie einmal selbst im Kanzleramt zu beerben. Nach den ruhmlosen Abgängen von Friedrich März, Roland Koch und, ja, auch Christian Wulff ist den Christdemokraten ein weiteres populäres Politiker-Gesicht mit großem Entwicklungspotenzial abhanden gekommen. Es wird einsam um Merkel. Dass ihre Allzweckwaffe Peter Altmaier nun an die Umweltfront geschickt wird, spricht Bände. Denn als hervorragender Analytiker und gewiefter Strippenzieher ist der Saarländer mit seinem ausgleichenden Naturell für Merkel in der Unionsfraktion eigentlich unentbehrlich. Schon deshalb wirkt er jetzt wie das letzte Aufgebot der Kanzlerin, auch wenn er das beste Aufgebot sein mag, das der schwarz-gelben Energiewende womöglich passieren kann.
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