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WAZ: Abbau im Revier - Von Kohle und Wahlkampf. Leitartikel von Thomas Wels

Essen (ots)

Wer hätte das gedacht: Die steigenden Preise für
Rohstoffe und Energie bieten den Parteien unverhofft ein Thema zur 
Mobilisierung ihrer Klientel. Was im Bund die Auseinandersetzung ums 
Atom ist, wird in NRW die um die Kohle sein. Seit sich 
Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) so weit links aufgestellt 
hat, dass die SPD kaum noch an ihm vorbei kommt, ohne die Linke zu 
touchieren, ist die Kohlepolitik eines der letzten verbliebenen 
Themen mit SPD-Markenkern. Je stärker die Preise für Kohle auf dem 
Weltmarkt steigen, desto plausibler erscheinen die Argumente für den 
Erhalt des Bergbaus. Der Schein trügt.
Selbst ein Abbau von Kokskohle, wie er vom Bergwerk Prosper 
geplant ist, taugt nur eingeschränkt zur Befeuerung der Hoffnung, der
Kohlebergbau im Revier habe eine Chance aufs Überleben. Entscheidend 
sind nicht die enorm gestiegenen Börsenpreise für Kokskohle im Zuge 
des Weltwirtschaftsbooms und der Stahlnachfrage, sondern die 
Investitionsrechnungen. Selbst bei einem aktuellen Börsenpreis von 
240 Euro je Tonne Kokskohle und den derzeitigen Förderkosten von 175 
Euro je Tonne im Bergwerk Prosper-Haniel würde sich ein 
Privatinvestor nicht engagieren.
Jeder Investor würde seine Entscheidung von den Kostenstrukturen 
der Konkurrenz abhängig machen. Die Kokskohle-Unternehmen aus 
Australien, USA und Kanada fördern dank vorteilhafter geologischer 
Verhältnisse die Tonne zu Kosten zwischen 30 und 70 Euro. Hinzu 
kommen 50 Euro für den Transport. Selbst unter den besten Annahmen 
für die hiesige Kokskohle liegt der Kostennachteil bei einem Drittel.
Auch wenn's schwer fällt: Dieses Drittel ist für den Kokskohlebergbau
hier zu Lande entscheidender als der Börsenpreis. Das ist der Grund, 
weshalb die Stahlkonzerne eben nicht Schlange stehen, um sich hier 
Kokskohlen zu sichern. Noch gar nicht im Kalkül enthalten: Was 
geschieht mit einer auf Jahrzehnte angelegten Investition, wenn die 
Konjunktur abflaut, der Kokskohlepreis ins Rutschen gerät und da 
landet, wo er einst war? Pleiten wären die Folge. Zugegeben: Solche 
Argumente taugen nicht für Wahlkämpfe. Eine seriöse Betrachtung der 
Kohle-Frage muss sie aber wägen. NRW zahlt ab 2014 keinen Euro 
Subventionen mehr für die Kohle, und das ist richtig so. 130 
Milliarden sind in den Bergbau geflossen, und damit nicht in Bildung 
oder Forschung.
Eine Frage rund um Energie und Rohstoffe ist damit noch nicht 
beantwortet: Wie soll sich Deutschland oder die EU verhalten, wenn 
sich enorm potente Staatswirtschaften wie China und Russland in 
Nigeria oder Iran auf Jahrzehnte mit Öl eindecken? Bislang schaut man
staunend zu.

Pressekontakt:

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

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