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WAZ: Debatte um die "Unterschicht" Ein Leben am Rande der Gesellschaft - Kommentar von Angela Gareis

Essen (ots)

Vor einer Woche warnte SPD-Chef Kurt Beck vor einem
Unterschichten-Problem in Deutschland, und wenige Tage danach holte 
man Kevin aus dem Kühlschrank. Weil in diesem traurigen Fall die 
Wirklichkeit die Analyse sofort bestätigt hat, diskutiert die Politik
jetzt parteiübergreifend über Menschen, die am Rande der Gesellschaft
leben. Es zählt zu den unschönen Reflexen, dass zunächst ein Streit 
über die Frage inszeniert wird: Darf man Unterschicht sagen?
Es gibt in Deutschland immer mehr Menschen, die äußerlich und 
innerlich verwahrlosen und denen am Ende des sozialen Abstiegs das 
Leben anderer so egal ist wie das eigene. Soll man für sie Worte 
finden, die das Elend und die ganze Hoffnungslosigkeit elegant 
umkleiden wie Volker Kauders "Menschen mit sozialen und 
Integrationsproblemen"?
Diese Menschen sind herausgefallen aus der Leistungsgesellschaft,
in der die Karriereleiter immer nach oben führen muss bis zu 
Millionengehältern, die sinnvoll niemand verwenden kann, außer als 
Beleg dafür, es verdammt weit gebracht zu haben. Andere, so genannte 
"Mitbürger mit Migrationshintergrund", sind gar nicht erst 
hineingekommen in diese Gesellschaft.
Und statt sich grundsätzlich zu fragen, was das eigentlich für 
eine Gesellschaft ist, die Menschen einfach abhängt, die Kindermangel
beklagt und zugleich Millionen Kinder im Stich lässt, sucht man nach 
wohlklingenden Umschreibungen. Harald Schmidts Provokation wäre 
vermutlich ungehört verhallt, wenn er von 
"Menschen-mit-sozialen-und-Integrationsproblemen-Fernsehen" 
gesprochen hätte.
Die Realität zu erkennen bedeutet auch, sie schonungslos zu 
benennen, und nur weil der Begriff "Unterschicht" so hart klingt, ist
er doch überhaupt ins Bewusstsein derer gedrungen, die nicht am Rand 
oder schon außerhalb dieser Gesellschaft leben müssen. Menschliches 
Miteinander, Konflikte, Liebe, Abgründe - das alles wird Menschen 
heute im Unterschichten-Fernsehen geboten. Und sehr viele konsumieren
es, weil sie an irgendeinem sozialen Leben teilhaben wollen, und sei 
es aus zweiter Hand.
Diesen Menschen wird niemand zu einem echten sozialen Leben 
verhelfen können, außer denen, die eines haben. Damit die auch 
begreifen, worum es geht, darf oder muss man vielleicht von 
Unterschicht sprechen. Der Beweis dafür ist die Diskussion selbst, 
die erst jetzt, nach Jahren der Massenarbeitslosigkeit, geführt wird.

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zentralredaktion@waz.de

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