Neue OZ: Neue OZ - Interview mit Jörg Asmussen, EZB-Direktor
Osnabrück (ots)
EZB mahnt Union und SPD: Große Koalition rechtfertigt sich nicht durch große Ausgaben
Asmussen fordert Einhaltung der Schuldenbremse, Abbau des staatlichen Konsums und Reform der Bund-Länder-Finanzen
Osnabrück.- Nach den Wirtschaftsweisen hat auch die Europäische Zentralbank (EZB) die Stoßrichtung der Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD kritisiert. In einem Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Donnerstag) sagte Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen, "eine große Koalition rechtfertigt sich nicht durch große Ausgaben, sondern nur durch große Reformen". Die Politik müsse die Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion ebenso im Blick haben wie die Steigerung des Wachstumspotenzials der deutschen Wirtschaft.
Der EZB-Direktor mahnte zur Einhaltung der Schuldenbremse. "Wer dann mehr Investitionen will, muss die staatlichen Konsumausgaben senken. Die Begrenzung von Gegenwartskonsum zu Gunsten von Zukunftsinvestitionen ist auch eine Frage der Generationengerechtigkeit", plädierte Asmussen für nachhaltige Ausgaben etwa für die Infrastruktur. "Deutschland lebt von seiner Substanz", kritisierte er. Die Investitionslücke betrage etwa drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Asmussen: "Das entspricht einer Summe von 75 Milliarden Euro im Jahr. Da geht es um Straßen, um Schienen, um Schulen und Breitbandnetze, aber auch um Dinge, die für Jahrhunderte bestehen wie den Nord-Ostsee-Kanal, der heute in einem schlechten Zustand ist." Gravierenden Reformbedarf sah SPD-Mitglied Asmussen ferner in den Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern. "Ein möglicher Solidarpakt III müsste ganz Deutschland in den Blick nehmen und da ansetzen, wo es infrastrukturellen Nachholbedarf gibt, also zum Beispiel auch in den Kommunen in NRW", sagte der EZB-Vertreter. Die fälligen Änderungen müssten dabei drei Ziele verfolgen. "Erstens muss eine angemessene Aufgabenfinanzierung gewährleistet werden, zweitens muss die Transparenz erhöht und drittens die Anreizverträglichkeit gewährleistet werden." Auch der herkömmliche Länderfinanzausgleich sei deshalb auf den Prüfstand zu stellen.
Asmussen bekräftigte seine Skepsis gegenüber einer Finanztransaktionsteuer. "Aus meiner persönlichen Sicht kann ich sagen, dass die Erwartungen an eine Finanztransaktionssteuer höher sind als die möglichen Resultate." Ferner belaste eine Finanztransaktionsteuer am Ende immer auch die Endverbraucher. "Die Mehrwertsteuer zahlt ja auch nicht der Supermarkt, sondern der Kunde", warnte der frühere Finanz-Staatssekretär vor Belastungen für die Bürger.
Beim Thema Mindestlohn forderte der EZB-Direktor, die Lohnfindung zu "entpolitisieren". So sollte es nach dem Beispiel Großbritanniens unabhängige Kommissionen geben. Zwingend nötig seien ferner Ausnahmen für Berufseinsteiger, "damit diese nicht lieber für den Mindestlohn arbeiten, statt zunächst eine vernünftige Ausbildung zu machen". Grundsätzlich sei er aber anders als vor noch zehn Jahren für einen Mindestlohn in Deutschland. Grund der Meinungsänderung sei, dass immer weniger Beschäftigungsverhältnisse Tarifverträgen unterlägen.
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EZB drängt Euro-Finanzminister zu europäischer Abwicklungsbehörde
Asmussen: Loses Netzwerk reicht nicht - Haftungsregeln sollen ab 2015 greifen
Osnabrück.- Unmittelbar vor dem Treffen der Euro-Finanzminister hat die Europäische Zentralbank (EZB) mit Blick auf die Bankenunion auf eine europäische Abwicklungsbehörde gepocht. In einem Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Donnerstag) sagte EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen: "Wir wollen eine europäische Abwicklungsbehörde und einen europäischen Abwicklungsfonds gespeist aus einer Bankenabgabe. Die Krise hat gezeigt, dass ein loses Netzwerk von Abwicklungsbehörden nicht ausreicht, weil es einfach nicht schnell genug und nicht unbedingt im gesamteuropäischen Interesse entscheiden würde."
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) favorisiert dagegen ein Netzwerk nationaler Abwicklungsbehörden über eine Agentur und pocht auf spätere Änderungen der EU-Verträge. Die Finanzminister der Eurozone beraten darüber am Freitag in Brüssel. Asmussen sagte, er erwarte beim Finanzministerrat noch keine Einigung. Für nötig halte er sie allerdings bis Jahresende.
Zuversichtlich zeigte sich der EZB-Direktor, dass die Haftungsregeln für eine einheitliche Abwicklung maroder Banken von 2018 um drei Jahre vorgezogen würden. "Ich bin überzeugt, dass 2015 der bessere Startpunkt wäre. Sonst haben wir zu lange Rechtsunsicherheit darüber, welche Gläubiger wann und in welcher Reihenfolge haften."
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