Mittelbayerische Zeitung: Machtfülle und Machtfalle
Regensburg (ots)
Von Reinhold Willfurth
Der ehemalige Verfassungsrichter Udo di Fabio springt dem bedrängten Bundespräsidenten bei: Man müsse unterscheiden zwischen dem, was Christian Wulff als Ministerpräsident und was er als Staatsoberhaupt getan habe. Das ist die Sicht des Juristen. Die Art und Weise, wie Wulff mit seinen juristisch vielleicht lässlichen Sünden aus der Vergangenheit umgeht, disqualifiziert ihn jedoch de facto als Staatsoberhaupt. Zehnjährige interessieren sich nicht für juristische Feinheiten, haben aber ein starkes Gefühl für Gerechtigkeit. Sie fragen in diesen Tagen schon mal, warum der Mann auf dem Bild im Schulflur eigentlich immer noch Präsident sei, nach allem was man von ihm gehört habe. Die Befragten geraten zusehends in Erklärungsnot. Christian Wulff kann nichts dafür, dass er Bundespräsident ist, außer dass er Angela Merkel gefährlich wurde. Nach dem überraschenden Rückzug von Horst Köhler machte Merkel dem Konkurrenten ein Angebot, das er nicht ausschlagen konnte und ihn gleichzeitig auf Dauer vom Kanzleramt fernhielt. Das war wohl etwas zu schlau eingefädelt, denn jetzt stellt sich der vermeintliche Biedermann aus Oldenburg als überforderter Ex-Amigo mit problematischem Verhältnis zur Pressefreiheit heraus. Wulff wird nicht zurücktreten, auch wenn ihm jetzt danach wäre, denn das würde Angela Merkel gar nicht gelegen kommen. Stattdessen wird das Amt des Bundespräsidenten weiter beschädigt. Es ist einmal eine dringend notwendige moralische Instanz gewesen. Nicht nur Zehnjährige werden sich fragen, was uns dieser Mann auf dem Bild im Schulflur noch zu sagen hat.
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